Predigt von Pastor Christoph Rehbein
über Lukas 19, Verse 37-40
am Sonntag Cantate, den 2. Mai 2021

Lukas 19,37-40:

37 So kam Jesus zu der Stelle, wo der Weg vom Ölberg nach Jerusalem  hinabführt. Da brach die ganze Schar der Jüngerinnen und Jünger in lauten Jubel aus. Sie lobten Gott für all die Wunder, die sie miterlebt hatten.

38 Sie riefen: „Gesegnet ist der König, der im Namen des Herrn kommt! Friede herrscht im Himmel und Herrlichkeit erfüllt die Himmelshöhe!“

39 Es waren auch einige Pharisäer unter der Volksmenge. Die riefen ihm zu: „Lehrer, bring doch deine Jünger zur Vernunft!“

40 Jesus antwortete ihnen: Das sage ich euch: Wenn sie schweigen, dann werden die Steine schreien!

Liebe Gemeinde,

diese blöden Pharisäer mal wieder! Treten als Bremser auf, ganz schulmeisterlich: „Bring deine Jünger zur Vernunft!“ Nicht zu laut, nicht so emotional! Wo doch ein Fest ansteht! Das Fest schlechthin: Pessach. Befreiung aus der Knechtschaft. Ein freies Volk feiert seinen Gott. Da soll doch wohl gejubelt werden dürfen: Dass mitten in diesem Volk jemand den Esel besteigt, auf dem laut Sacharja der kommt, der für seine Prophetie steht: „Es soll nicht durch Heer oder Kraft geschehen, sondern durch meinen Geist, spricht Gott der Herr.“(Sach 4,9) Genau diese Szene wird direkt vor unseren Predigtversen geschildert.

Und jeder Mensch, der schon mal da oben auf dem Ölberg gestanden hat, weiß, was dann die Stunde geschlagen hat. Jerusalem vor Augen, Tempel und Altstadt, da sollst du wohl jubeln dürfen. Hüpfen, singen und klatschen. Vielleicht auch weinen vor Ergriffenheit. Ich stelle mir vor, das war damals - neudeutsch gesagt - eine ziemliche Chaostruppe, die Jesus folgte. Einfache Leute, Fischer vom See Genezareth, Fresser und Weinsäufer, Prostituierte, sicher auch Normalos. Insgesamt sicher ein Haufen bunter Vögel, die keine Lust mehr hatten auf Römerherrschaft und Unterdrückung. Also auf zum Pessachfest in die heilige Stadt! Zeit dass sich was dreht, würde Herbert Grönemeyer dazu singen. Die scheinbar so blöden Spaßbremsen, die Pharisäer, wahren immerhin die Form. Sie reden den Mann auf dem Esel respektvoll an, mit dem Titel Lehrer. Und Jesus antwortet ihnen, ganz unpolemisch.  Das passt zum Evangelisten Lukas. Der weiß von einigen freundlichen Begegnungen zwischen Jesus und den Pharisäern zu berichten. Was historisch gesehen stimmen könnte, denn Jesus nimmt genau wie sie Gottes Wort überaus ernst. Natürlich auf seine eigenständige Weise. Er kennt die heiligen Schriften, auch den Propheten Habakuk. Bei dem ist von schreienden Steinen durchaus die Rede. Zu seiner Zeit gab das Grund zum Schreien: Gewalt und Unterdrückung der Armen im eigenen Volk. Und genauso schlimm die einmarschierte Großmacht aus Babylonien! Ägypten, Assyrien, Babylon, Rom: Die Geschichte wiederholt sich. Zeit dass sich was dreht. Aber wie? „Der Gerechte aber wird durch seine Treue am Leben bleiben.“ Das steht auch bei Habakuk (2,4). Sowohl die Pharisäer als auch Jesus wollen danach leben. Nur das Temperament ist in unserer Predigtszene gerade sehr unterschiedlich. Es kann gut sein, dass die Pharisäer die jungen Wilden einfach warnen wollen. Denn die haben den bekannten Psalmvers eigenmächtig erweitert: „Gesegnet ist der im Namen des Herrn kommt“, steht da. (Ps 118,26)   - Den König dichten die Jesus Folgenden dazu. Vielleicht ahnen es die Pharisäer: Genau dieser Hoheitstitel wird ein paar Tage später das Kreuz bezeichnen. Jesus von Nazareth, der König der Juden. Gefährlich ist das, was die Jüngerinnen und Jesu Schüler da rufen. Lasst das bloß keinen Römer hören! Die Geschichte geht dann weiter. Bevor Jesus einen zornigen Auftritt bei den Händlern im Tempel hat, kommen ihm noch am Ölberg die Tränen über Jerusalem: „Wenn du doch erkannt hättest, was dem Frieden dient“, wird er gleich sagen.

Und das ist genau unser Job heute, liebe Gemeinde: Erkennen, was dem Frieden dient. Ein lebendiger Glaube, der sich auch angesichts von Bedrohungen bewährt. Seien es Viren oder Vorboten des Klimakollaps, neben dem ungerecht verteilten Kapital drei große Mächte unserer Zeit. Ich nehme aus diesen heute gehörten Bibelversen mit: Jesus fördert unsere Emotionen! Osterlachen ist erlaubt - genau wie Weinen. Wenn wir still sind, schreien die Steine. Was Gott will, das lässt sich nicht unterdrücken. Seine Liebe nimmt ihren Lauf, ob du es glaubst oder auch einmal bezweifelst. Das weiche Wasser der Taufe bricht den Stein. Und du darfst dabei sein, hier und jetzt. Kantate, gleich draußen werden wir dieser Aufforderung Ehre machen. Und Gott loben, der aus der Tiefe uns holt. Und vorher werden wir - wenn auch vorläufig noch mit Abstand - endlich einmal wieder feiern. Nämlich das Abendmahl, das uns erinnert an diesen König, der auf dem Esel reitet. Dem noch immer zugerufen wird: „Gesegnet ist der König, der im Namen des Herrn kommt. Friede herrscht im Himmel und Herrlichkeit erfüllt die Himmelshöhen.“ Der Friede auf Erden, der steht noch aus. Aber er wird kommen. Das ist gewiss!

Und der Friede Gottes, der weiter reicht als unsere menschliche Vernunft, der wird unsere Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus. Amen!