Liebe Gemeinde hier in Hannover,

ein neuer Pastor stellt sich vor.
Ich freue mich, dass ich das heute mit diesem Gottesdienst tun kann.
Und ich hoffe natürlich, dass das für sie auch eine gute Nachricht ist.
In Ihrem Gemeindeblatt bin ich Ihnen schon kurz begegnet und in den ersten drei Wochen des neuen Jahres habe schon eine ganze Reihe Menschen hier kennenlernen dürfen.
Dass ich jetzt mit einer viertel Stelle in der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Hannover mitarbeiten darf, ist ein weiteres Puzzle auf meinem sehr abwechslungsreichen Lebensweg.
Wenn Sie etwas darüber wissen wollen, können Sie mich bei Gelegenheit gerne darauf ansprechen.

Rückblickend ist das wie bei vielen Menschen ein Weg voller Kurven und Umwege, manchmal auch voller Irrungen und Wirrungen.
So kommt mir auch die Geschichte vor, die heute als Predigttext vorgeschlagen ist.
Da begegnen uns unerwartete Wendungen.
Es ist eine Geschichte voller Missverständnisse und Fehlinterpretationen.
Erwartungen werden ad absurdum geführt.
Da kommt alles anders als gedacht.
Hören Sie die Geschichte vom General Naaman aus dem 2. Königebuch:

  1. Könige 5

1Naaman war der Heerführer des Königs von Aram. Sein König schätzte ihn sehr und hielt große Stücke auf ihn. Denn der Herr hatte bewirkt, dass er für Aram siegreich war. Er war ein Kriegsheld, litt aber an Aussatz. 2Die Aramäer überfielen das Land Israel immer wieder. Einmal hatten sie ein junges Mädchen verschleppt, das jetzt im Dienst von Naamans Frau stand. 3Dieses Mädchen sprach zu ihrer Herrin: »Ach, wäre mein Herr doch beim Propheten in Samaria! Der könnte ihn von seinem Aussatz heilen.«

Ich hoffe, sie haben das gehört und dabei zum ersten Mal gestutzt:

Die Aramäer überfallen das Land Israel…
…und Gott schenkt dem Naaman als Heerführer der Aramäer den Sieg.
Ist das nicht verkehrte Welt?
Sollte Gott nicht vielmehr sein geliebtes Volk Israel unterstützen und sie siegreich sein lassen.
Doch alles hat in dieser Geschichte einen tieferen Sinn.
Weil die Aramäer siegen, fallen ihnen Menschen in die Hände, die sie verschleppen, um sie als Sklaven oder Geiseln zu nutzen.Das erinnert fatal
an die Geschehnisse am 7. Oktober vergangenen Jahres.
Männer und Frauen, Kinder und Jugendliche werden von der Hamas verschleppt und zu Geiseln gemacht.
Aber das, was hinter unserer Geschichte steht, kann ich dabei nicht entdecken.
Das ist einfach nur grausam und führt zu neuem Unrecht und ausufernder Gewalt.
In unserer Geschichte ist es Gott, der alles bestimmt.
Zu den Kriegsgefangenen, die zu Sklaven gemacht werden, gehört ein junges Mädchen.

Als nun Naaman krank wird - Aussatz, Lepra, war damals eine unheilbare Krankheit, die qualvoll zum Tod führte - ist sie da, um zu helfen.
Dieses Mädchen glaubt an den Gott Israels und weiß, dass er gesund machen kann.
Sie ist eine Botin Gottes im fremden Land, ein Engel.

Die Geschichte geht weiter:

4Da ging Naaman zu seinem Herrn und König und berichtete ihm: »Das und das hat das Mädchen aus Israel gesagt.« 5Darauf sagte der König von Aram: »Geh dorthin! Ich werde dir ein Schreiben mitgeben. Es ist für den König von Israel bestimmt. «Naaman ging los und nahm Geschenke mit: 340 Kilogramm Silber, 6000 Goldmünzen und zehn kostbare Kleider. 6So kam er zum König von Israel und übergab ihm das Schreiben. Darin stand: »Wenn du dieses Schreiben erhältst, weißt du: Ich habe meinen Knecht Naaman zu dir geschickt, damit du ihn von seinem Aussatz heilst.« 7Als der König von Israel das Schreiben gelesen hatte, zerriss er seine Kleider. Er sagte: »Bin ich denn Gott? Kann ich töten oder lebendig machen? Da schickt dieser mir einen Mann, den ich vom Aussatz heilen soll! Merkt ihr es? Er sucht nur einen Anlass für Krieg!«

Nun fangen die Verwirrungen erst richtig an.
Naaman hört nicht richtig zu oder will nicht hören.
Von einem Propheten Gottes ist nicht mehr die Rede.
Machtmensch König und Machtmensch Heerführer können sich nur andere Machtmenschen als Verhandlungspartner vorstellen.
Es wird politisch.
Als ob man eine Krankheit mit Politik heilen könnte.
Es kommt, wie es kommen muss:
Der König von Israel, auch ein Machtmensch, wittert eine Intrige.
Jemanden gesund machen?
Das kann er nicht.
Seine Schlussfolgerung:
Die suchen nach einem Vorwand für Angriff und Krieg.
Missverständnisse und Verwirrungen, die fast zur Katastrophe führen.
Erinnerungen an den Kalten Krieg werden wach.
Es bedurfte auch damals nur einer Fehlinterpretation und der rote Knopf für die Atomraketen wäre gedrückt worden.
Und ich vermute: Das ist bis heute nicht anders.
Das unterstreicht, wie wichtig Kommunikation ist, die den anderen verstehen will und ihm nicht sofort Böses unterstellt.

In unsere Geschichte geht es zum Glück anders weiter:

8Elischa, der Gottesmann, hörte davon, dass der König von Israel seine Kleider zerrissen hatte. Deshalb schickte er eine Botschaft zum König: »Warum hast du deine Kleider zerrissen? Naaman soll zu mir kommen. Dann wird er erkennen, dass es in Israel einen Propheten gibt!« 9So kam Naaman mit Pferden und Wagen zu Elischa und hielt vor der Tür seines Hauses. 10Elischa schickte einen Boten zu ihm hinaus: »Geh und wasch dich siebenmal im Jordan! Dann wird deine Haut gesund und du giltst wieder als rein.« 11Doch Naaman wurde zornig. Er wollte weggehen und sagte: »Ich dachte, er selbst kommt zu mir heraus und stellt sich vor mich hin. Dann ruft er den Namen des Herrn an, seines Gottes, erhebt seine Hände und betet in Richtung des heiligen Ortes. Und so heilt er mich vom Aussatz. 12Abana und Parpar, die Flüsse von Damaskus, sind die nicht viel besser als alle Gewässer Israels? Dann hätte ich mich gleich dort waschen können, um wieder gesund zu werden! «Voller Zorn drehte er sich weg und wollte gehen.1 3Da traten seine Diener an ihn heran und sagten zu ihm: »Herr, was wäre gewesen, wenn der Prophet etwas Großes von dir verlangt hätte? Hättest du es dann nicht getan? Doch er sagte nur: ›Wasch dich und du wirst gesund.‹ Warum tust du das dann nicht?« 14Also stieg er doch zum Jordan hinab und tauchte siebenmal unter, wie es der Gottesmann gesagt hatte. Da wurde seine Haut gesund wie die Haut eines Kindes, und er galt wieder als rein. 15Darauf kehrte er wieder zum Gottesmann zurück, zusammen mit seinem ganzen Gefolge. Er trat vor ihn hin und sagte: »Nun weiß ich, dass es nirgendwo einen Gott gibt außer in Israel. Er ist der einzige Gott auf der ganzen Welt. Nimm doch ein Geschenk von deinem Knecht an!«

19Elischa antwortete: »Geh hin in Frieden!«

Elischa, der Prophet, hört, was passiert ist.
Offensichtlich hat er einen guten Draht zum König.
Er ist bereit zu helfen, aber trifft den kranken Naaman nicht.
Elischa sieht den kranken General nicht mal an und verordnet ihm ein Bad im Jordan.
Aber so hatte Naaman sich das nicht vorgestellt.
Was denkt sich dieser Prophet.
Heilungen wie er sie kannte, wurden mit viel Tamtam und Brimborium vollzogen.
Nur mal schnell im Wasser des kümmerlichen und schmutzigen Jordanflusses untertauchen; das konnte es nicht sein.

Zum Glück überreden ihn seine Diener.
Und tatsächlich wird er geheilt.
Und ich denke:

So ist das oft mit unseren Erwartungen an Gott.
Wir haben ganz feste Vorstellungen, wie etwas zu geschehen hat und sind enttäuscht, wenn es ganz anders kommt.
Ein Jugendlicher hat mir mal erzählt, wie er das als Kind erlebt hat:

„Ich erinnere mich, dass ich mal fürchterliche Bauchschmerzen hatte.
Ich habe gebetet: Lieber Gott, mach die Bauchschmerzen weg.
Dann musste ich mich übergeben und die Bauchschmerzen waren tatsächlich weg.
Aber so hatte ich mir das nicht vorgestellt.“

Als reformierter Pastor begleitet mich Karl Barth auch immer mehr oder weniger.
Der hat von Gott als dem ganz anderen gesprochen.
Das wird an dieser Geschichte wunderbar deutlich.
Gott lässt sich nicht in Schubladen und feste Kategorien einordnen.
Er wirkt, wie und wann und wo er will.
Der Naaman wird in seinen Erwartungen des Heilungsvorgangs enttäuscht und doch geheilt.
Dazu kommt, dass er eigentlich ein Feind Israels ist.
Und doch ist Gott auch für ihn da.
Von langer Hand bereitet der die Heilung vor.
Die Aramäer siegen über Israel, ein israelisches Mädchen wird zur Sklavin.

Sie vermittelt den Kranken an den Propheten.
Der lässt durch diese simple Heilbehandlung Gottes Größe und Macht auch für den fremden Aramäer erkennbar werden.
Das macht mir zum einen deutlich, dass Gott auch in seiner Unbegreiflichkeit nahe ist und mich begleitet.
Und auch, dass ich es ihm gleichtun darf, und Menschen unvoreingenommen begegnen kann.
Vorurteile errichten Mauern, Offenheit bietet vielfältige Möglichkeiten.

Es wäre schön, wenn Sie diese Geschichte noch eine Weile begleitet und zum Weiterdenken anregt.

AMEN