Liebe Gemeinde,

Jona für Erwachsene ist die Überschrift meiner heutigen Predigt. Untertitel: Ein Mensch, der weiterlebt, weil er beten kann.

Wer früher mal im Kindergottesdienst war, kennt Jonas Geschichte. Jaffa statt Ninive. Der Prophet flüchtet vor seinem Auftrag. Gen Osten soll er nach Gottes Willen gehen. Dorthin, wo in einer Großstadt in Assyrien Menschen leben, deren Bosheit Gott nicht länger ertragen will. Jona ist aber dieser Job eine Nummer zu groß. Und er heuert als Matrose an. Genau in die andere Richtung macht er sich auf, per Schiff. Tarschisch klingt für ihn besser als Ninive. Das würde heute in Israel auch so gesehen: niemals Irak und schon gar nicht Iran. Dann schon lieber übers Mittelmeer gen Westen an die Costa de la Luz, wo die Sonne über dem Meer untergeht. Nun, es kommt, wie es kommen muss: Die Flucht scheitert vorerst. Jona wird über Bord geworfen, weil die Kollegen Matrosen samt Kapitän erkennen: Der Sturm auf dem Mittelmeer entsteht, weil Jonas Gott ihn ruft.

Ein spannendes Gespräch entsteht noch vor Jonas Über-Bord-Abschied. Es zeigt die theologische Aufgeschlossenheit der internationalen Schiffsbesatzung für den einen Gott Israels. Das weist die heutige Jona-Forschung ins 4. Jahrhundert v. Chr. Wir können Jona als durchaus modernen Propheten bezeichnen.

Allein, was uns nun hauptsächlich interessiert, ist der Fortgang der Geschichte. Jonas sinkt ab nach unten, er verliert sich im Meer. Im wahrsten Sinn des Wortes ein Fall für Tiefenpsychologen, oder? Ja, das Wasser steht ihm bis zum Hals. Wir haben seinen Psalm soeben gehört. Mich berührt die radikale Ehrlichkeit seines Gebetes. Als ob er sein Geschäft aufgibt und ein Schild mit drei Worten ins Tiefsee-Schaufenster stellt: Alles muss raus!

Ich bin verstoßen, deinen Augen entzogen, Gott. Und dann regt sich des Propheten letzte Reserve, sein Trotz: Doch ich werde wieder aufblicken zu deinem heiligen Tempel. Ich erinnere mich an die Geschichte meines Volkes. Da gab es schon mal jemanden, den dein Auftrag überforderte, Mose mit Namen. Und dem hast du zugesagt: Ich werde mit dir gehen. Ich werde sein, der ich sein werde.

Im Bauch des Fisches reflektiert Jona. Drei Tage und drei Nächte können eine lange Zeit sein. Die nichtige Götzen verehren, lassen ihre Gnade fahren. In der Tiefe des Meeres, im Tiefgang seines Gebetes, da beginnt es ihm zu dämmern. Ob er an seine Flucht denkt? Oder an die gottlosen Menschen in Ninive? In der Luther- Übersetzung klingt den Bibelkundigen der Satz noch etwas vertrauter: Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade. An wen denken wir, zu Ostern 2022 nach Christus? An einen Patriarchen in einer großen Stadt im Osten, den die Gnade verlassen hat? Der viel mehr gnadenlos seinen Möchtegern-Zar unterstützt? An einem Menschen, der sich um 180 Grad abwendet von dem, was Christi Auftrag ist?

Jona kämpft sich durch bis zum Ende seines Gebetes. Er erlebt seinen Schöpfer als einen, der sein Schreien hört. Der seine Lebensangst kennt. Und der nun das Wasser abfließen lässt, das diesem Gottesmann bis zum Hals steht.

Die Hilfe ist beim HERRN, so lautet Jonas letzter Satz.

Auf den dann nur noch das Amen folgen kann.

Ist das wirklich wahr, was eine medizinische Untersuchung vor einigen Jahren ergeben hat? In einem knappen Satz gesagt lautet das Ergebnis: Wer betet, lebt länger. Ich schätze, das stimmt:

Wir haben unter uns hier in der Gemeinde dafür Zeuginnen und Zeugen. Es gibt seelische und leibliche Auferstehung mitten im Erwachsenenleben!

Jona jedenfalls macht genau diese Erfahrung: Du hast mein Leben aus der Grube gezogen, Herr, mein Gott.

Ja! Da ist genau an den Vorläufer moderner Kanalisation zu denken, die gute alte Sickergrube. In der Verdeutschung dieses Verses von Franz Rosenzweig und Martin Buber kommt das noch klarer zum Ausdruck: Da holst aus dem Schlamme mein Leben, du, mein Gott! Man beachte auch das Tempus dieses Satzes: Gegenwart. Heute. Ostern!

Kinderbibelwoche auf Spiekeroog in der Mitte der 90er-Jahre. Thema Jona. Unser Ohrwurm damals ging so:

Jona, Jona, auf nach Ninive! Jona, Jona, hör auf Gott und geh!

Die Voraussetzung dafür ist nun geschaffen: Der Herr sprach zum Fisch, und dieser spie Jona aus auf das Trockene.

Gebetet ist genug, jetzt muss in Ninive gepredigt werden. Und wir hören jetzt in Kapitel 3, Vers 4, von der allereffektivsten Kurzpredigt, die je ein Prophet Gottes gehalten hat.

Jona rief und sprach: Noch 40 Tage, dann ist Ninive zerstört! Ein paar Verse weiter erfahren wir: Gott sah, was sie taten, dass sie zurückgekehrt waren von ihrem bösen Weg.

Sollte solche Umkehr im Ninive unserer Zeit auch möglich sein, liebe Gemeinde? Es gibt Meldungen, die besagen, dass immerhin schon eine wachsende Zahl von orthodoxen Priestern die Fürbitte für ihren korrupten Patriarchen gestrichen haben. Da er Gottes Gnade verlassen hat.

In Matthäus 12 (Vers 39 und 40) lesen wir ein Wort Jesu auf seinem Leidensweg. Dieses macht deutlich, warum zu Ostern über Jonas Psalm gepredigt wird:

Es wird dem bösen...Geschlecht kein Zeichen gegeben werden außer dem Zeichen des Propheten Jona. Denn wie Jona im Bauch des Fisches war, drei Tage und drei Nächte, so wird der Menschensohn im Schoß der Erde sein, drei Tage und drei Nächte. Die Männer Ninives… sind auf die Predigt des Jona hin umgekehrt.

Eine Autorin unserer Zeit, Susanne Niemeyer, fragt:

Kennt ihr diese unbeirrbaren Kinder, die gegen alle Eltern-Argumente immer das letzte Wort behalten? Genau so ist Ostern! Und für alle, die dieser Gedanke nicht sofort anspricht, schließe ich mit einem Diktum von Dietrich Bonhoeffer aus ebenfalls schwerer, ganz anders schwerer Zeit. Zum höchsten Feiertag der Christen sagt er nur einen Satz:

Wer Ostern kennt kann nicht verzweifeln.

Und der Friede Gottes, der weiter reicht als alle menschliche Vernunft, der wird unsere Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus. Amen.