Die Tageslosung für den heutigen Sonntag steht im 33. Psalm,Vers 16:

Einem König hilft nicht seine große Macht; ein Held kann sich nicht retten durch seine große Kraft.

 Liebe Gemeinde,

in welchem Zusammenhang steht dieser Vers? Ein Loblied auf Gottes Macht und Hilfe ist die Überschrift des gesamten Psalmgebets in der Lutherbibel. Ich beginne drei Verse weiter oben:

Der Herr schaut vom Himmel und sieht alle Menschenkinder. Von seinem festen Thron sieht ER auf alle, die auf Erden wohnen.

Gott ist also weit weg, in einer anderen Dimension. Er greift nicht unmittelbar ein in das Weltgeschehen. So war das schon damals, vor zweieinhalb Jahrtausenden, als so gebetet wurde. So kommt uns das auch heute vor, auch wenn wir es anders wünschen würden. Immerhin sieht ER, was Menschen anrichten. Wie sie gegen seine Gebote verstoßen. Von denen das erste heißt: Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Und das sechste: Du sollst nicht töten. Aber offenbar lässt ER ihnen auch die negative Freiheit, nämlich seine Gebote zu missachten.

Der ihnen allen das Herz geschaffen hat, achtet auf alle ihre Werke.

So geht unser Psalm weiter. Wenigstens das! Was Menschen tun, ist ihrem Schöpfer alles andere als egal. Denn er hat uns allen das Herz geschaffen, im hebräischen Denken mehr als der Wohnsitz der Gefühle und der Umschlagplatz unseres Blutkreislauf. Wer ein Herz hat, der hat danach auch Verstand. Oder? Wer nicht einmal mehr auf seinen Bischof hört, wo ist dessen Herz? Da ist Kyrill I. Der seinem Präsidenten doch so wohlgesonnen ist. Sogar der fordert, alles zu tun, um Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Der Machthaber aber, der tut viel zu wenig dafür.

Wir sind so beschämt als Christen, dass Krieg ausgeht von einem riesigen Reich mit einer großen christlich-orthodoxen Tradition. Sollte es am Ende dem israelischen Ministerpräsidenten gelingen, den Rest des Putin'schen Herzens zu erreichen? Oder seinem muslimischen Kollegen aus der Türkei? Oder gar dem ehemaligen deutschen Bundeskanzler, der Lobbyist für russisches Erdgas wurde?

Der ihnen allen das Herz geschaffen hat, achtet auf alle ihre Werke!

Weiter im Text:

Einem König hilft nicht seine große Macht.

Das könnte tatsächlich wieder so kommen. Dass am Ende die wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen greifen. Dass die russische Bevölkerung mehrheitlich erkennt: Die Erde lässt sich nicht 1000 Jahre zurückdrehen auf einen „heiligen Rus“. Bestehend aus Groß-Russland mit Moskau, Klein-Russland mit Kiew und Weißrussland mit Minsk. Die Erde gehört Gott! Psalm 24, Vers 1!Haben nicht alle Christen dieselbe Bibel? Das Wort Gottes, das die Grenzen der Völker unbedeutend werden lässt?

Einem König hilft nicht seine große Macht, ein Held kann sich nicht retten durch seine große Kraft.

Als Helden treten mir in diesen Tagen zwei Ukrainer vor Augen: der redebegabte Präsident mit seinem perfekten Russisch im olivgrünen T-Shirt, der als „einer aus seinem Volk“ auftritt. Und der starke Kiewer Bürgermeister, der auch ein Boxweltmeister ist. Der seiner großen Drei-Millionen-Stadt so viel Mut macht.

Und doch: Jerusalem hat es einst erlebt...

Eine Stadt könnte vielleicht einen direkten Häuserkampf in die Länge ziehen. Die Moral steht! Aber der Gegner ist ja nicht dumm. Er will die Stadt aushungern, die Versorgungswege abschneiden. Das können auch die kaum verhindern, die wir jetzt als Helden empfinden.

Wie geht unser Psalm weiter?

Rosse helfen auch nicht, da wäre man betrogen; und ihre große Stärke errettet nicht.

Das ist Israels Erfahrung, die es aus dem Zug durch die Wüste mitgenommen hat. Die drückende militärische Überlegenheit des Pharao mit all seinen damals modernen Waffen, am Ende versinkt sie im Roten Meer. Der Weg durch die Wüste, der dauert dann noch ein paar Jahrzehnte. Am Ende aber steht die ersehnte positive Freiheit. Und die währt so lange, wie Gottes Gebote beachtet werden. In diesem Sinne findet auch unser Psalm seine Fortsetzung:

Siehe, des Herrn Auge sieht auf alle, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen, dass ER ihre Seele errette vom Tode und sie am Leben erhalte in Hungersnot.

Da setzt jetzt unser Part ein, als Gottes Part-ner, liebe Gemeinde: Seelen retten! Eine gute Freundin berichtet von einer Frau aus der Stadt Dnepro, die sie am Mittwoch zuhause aufnahm. Zusammen mit ihren zwei Kindern. Sie lernt schon Deutsch und findet direkt Arbeit in einem Altenheim. Sie ist Ärztin, hoch begabt, aber sie kann auch Massagen geben. Ihre Seele atmet auf. Sie wird nützlich. Und so geht es auch den Seelen ihrer Kinder schon besser.

Stichwort Hungersnot: Die droht nun vor allem in den Ländern Afrikas, die bislang von ukrainischen und russischen Weizen leben. Bei uns droht nur eine Benzinpreis-Not. Und ein Energie-Engpass. Wir haben trotzdem noch immer die wirtschaftliche Kraft, ärmeren Ländern zu helfen. So paradox es ist: Nach Corona ist es nun der Krieg, der uns zum Einsatz für eine Umverteilung, für weltweite Gerechtigkeit drängt.

Und was dann doch etwas Hoffnung macht: Die Zahl derer, die vor Ort, wo die Bomben fallen, umdenken, sie wächst!

Die stärkste Kirche der Ukraine ist noch immer die, die Moskau unterstellt ist. Hunderte von Priestern riskieren gerade viel, wenn sie jetzt anders als Kyrill nicht länger vom „Konflikt“ sprechen, sondern vom Krieg. Dessen schnelles Ende fordern sie mit einem offenen Brief!

Ich wiederhole den einen Psalmvers noch mal in einer modernen Übersetzung:

Seht, der Herr wacht über denen, die ihm mit Ehrfurcht begegnen, zuversichtlich warten sie auf seine Güte.

Ich kombiniere die beiden Übersetzungen:

Siehe, des Herrn Auge sieht auf alle, die ihm mit Ehrfurcht begegnen.

 Sein Auge wendet sich also ab von dem König, der sich wie ein despotischer Zar aufführt.

Es achtet vielmehr auf die, die dem Schöpfer mit Ehrfurcht begegnen. Die ihn von ganzem Herzen und mit allem Verstand lieben und ihren Nächsten wie sich selbst.

Unser Psalm schließt mit folgenden Worten:

Unsere Seele harrt auf den Herrn; ER ist uns Hilfe und Schild. Denn unser Herz freut sich seiner, und wir trauen auf seinen heiligen Namen. Deine Güte Herr, sei über uns, wie wir auf dich hoffen.

Und Dein Friede, Gott,

der weiter reicht als alle menschliche Vernunft,

der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.