Liebe Gemeinde

und besonders liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

vor der Konfirmation am 7. Mai nächsten Jahres werden wir die Zehn Gebote noch auswendig lernen. Dann wird das zweite Gebot etwas kürzer ausfallen als in der langenFassung aus dem Katechismus, die Magalie uns gerade gelesen hat:

Du sollst dir kein Gottesbild machen.

Anders als Martin Luther zählen wir evangelisch-reformierten Christen das 2. Gebot extra. Wie in Synagogen und Moscheen gibt es bei uns darum keine Skulpturen oder Bilder, weder von Gott noch von Jesus. Es gibt vielmehr einen hohen Respekt davor, dass Gott zu Mose gesagt hat (Exodus 3,14 usw.): Ich werde sein, der ich sein werde... Und kein Mensch kann mich sehen. Dann müsste er sterben.

Ehrlich gesagt: Auch wir haben es ja gerne mit einem bestimmten Gottesbild: Mit dem lieben Gott! In vielen von uns sitzt tief drin das Gottesbild von gütigen Vater im Himmel, womöglich mit einem langen weißen Bart. Ein Kritiker des Christentums hat das mal so beschrieben: Die Christen zähmen sich ihren Gott zurecht. Sie wollen nur den lieben Gott. Am Ende spielen Sie mit ihm Hoppe Reiter. Und wenn er fällt, dann schreit er…

Liebe Gemeinde, unser Gott schreit nicht, er spricht. So hat er die Welt erschaffen. Er sprach (Genesis 1): Es werde Licht. Und es wurde Licht. Und so weiter. Und am siebten Tag ruhte Gott von seinen Werken. Darum haben wir das vierte Gebot: Du sollst den Sabbat, den Feiertag heiligen. Darum sitzen wir am Sonntag hier in der Kirche. Und hören so einen Predigttext, wie Liam ihn gerade gelesen hat (Hebräer 4,12f): Lebendig ist das Wort Gottes und wirksam. Und schärfer als jedes zweischneidiges Schwert…

In unserem Sprachgebrauch ist ein zweischneidiges Schwert ja eine Sache, die man von zwei Seiten betrachten kann. Die Vor- und Nachteile hat.

Gottes Wort aber ist eindeutig. Es dringt hindurch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Mark und Bein und urteilt über Regungen und Gedanken des Herzens.

Wir schreiben das Jahr 2022. Von 89 Jahren war das Jahr 1933. Da kam Ende Januar mit Adolf Hitler ein so genannter Führer an die Macht, der sich selbst wie ein Gott fühlte. Und bedingungslosen Gehorsam forderte für „Führer, Volk und Vaterland.“

Nur eine Minderheit in der Kirche stellte sich dagegen mit dem ersten Gebot! Wo ist heißt: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.

Im Jahr 1934 gab es von dieser Bekennenden Kirche in Wuppertal-Barmen eine theologische Erklärung dazu. Schlagt bitte Seite 1661 im Gesangbuch dazu auf und lasst uns gemeinsam den Text ganz unten lesen. Die zweite These der Barmer Erklärung, einen Satz, der damals schärfer war als ein zweischneidiges Schwert:

Wie Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer Sünden ist, so und mit gleichem Ernst ist er auch Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes Leben; durch ihn widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbaren Dienst an seinen Geschöpfen.

Liebe Gemeinde, ich bringe das ins Gespräch mit dem ersten Satz des Predigttextes: Lebendig ist das Wort Gottes! Und mir wird klar, das Wort der Bibel kann beides sein: Zuspruch und Anspruch. Am Anfang des Gottesdienstes hat Malina den 23. Psalm als Gebet gesprochen. Der zuerst von Gott in der dritten Person redet: Der Herr ist mein Hirte. Und dann in der Mitte umschwenkt auf das Du. Diesen HERRN direkt anspricht mit den Worten: Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.

Mir sagte im letzten Herbst nach einer schweren Beerdigung der Witwer der verstorbenen Ehefrau: Herr Rehbein, dieses Gebet bleibt hängen. Ich denke dabei an Christus. Der hat ja auch sehr Schweres erlitten. Und an Gott festgehalten. Ich nehme das mit als einen Zuspruch. Und ich fürchte kein Unglück.

Lebendig ist das Wort Gottes und wirksam. Wirksam dann auch als ein „Anspruch auf mein ganzes Leben“. Nicht als ein zweischneidiges Schwert, sondern eindeutig. Wir hatten gestern in Konfirmandenunterricht die bekannte Geschichte vom barmherzigen Samariter. Der anders als der Priester und der Tempeldiener dem Überfallenen hilft. Das erzählt Jesus dem gelehrten Mann, der vorher gefragt hatte: Wer ist denn mein Mitmensch? So wie wir auch oft fragen. Wie ein Subjekt, das Objekte sucht. Ich in der Mitte, die andern um mich herum. Und dann trifft das Wort von Jesus schärfer als ein Schwert. Er dreht sozusagen den Spieß um: Wer ist dem Hilfsbedürftigen als Mitmensch begegnet? Die Frage ist also weniger: Wem kann ich helfen? Sondern: Wer braucht Hilfe? Der Mitmensch steht im Mittelpunkt. Wir haben dann von Frau Hagen (IKJA e.V. = Internationale Kulturelle Jugendarbeit), die nachher noch referieren wird, Einzelschicksale von Geflüchteten erfahren. Von einem, der kaum schlafen kann, weil er so Schlimmes erlebt hat in seinem Heimatland, im Krieg. Dem dann eine Familie aus Hannover zur Patin wurde. Als Samariter von heute.

Liebe Gemeinde, ich komme am Ende zurück auf den Anfang. Gott spricht zu uns auf ganz verschiedene Weise. Im Zuspruch des Hirten, der uns nichts mangeln lässt. Und dann auch im Hilferuf des Mitmenschen, der Schlimmes erlebt hat. Der Anspruch auf unsere Unterstützung hat. Lebendig ist das Wort Gottes und wirksam. Und ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.

Und der Friede Gottes, der weiter reicht als alle menschliche Vernunft, der wird unsere Herzen und unsere Sinne bewahren in Christus Jesus. Amen.