Römer 12, Vers 12 - Pastor Christoph Rehbein

Predigt von Pastor Christoph Rehbein

am 1. Novemberr 2020

Römerbrief 12, Vers 12

Liebe Gemeinde,

viele Gespräche drehen sich in diesen Tagen wieder um das Virus. Direkt vor meinen Ohren breitete vor ein paar Tagen ein Gastronom seine vehemente Klage aus. Das Frühjahr habe er so leidlich überstanden – ein November ohne Gänseessen sei aber sein persönlicher Lockdown. Eine gute Entgegnung fiel mir nicht dazu ein. Lapidar sagte ich: Hoffen wir mal, dass im Sommer der Impfstoff da ist.

Der Gastronom zuckte mit den Schultern. Und zitierte dann etwas grantig ein Sprichwort: Hoffen und Harren hält manchen zum Narren.

Da gab ich mich als Christ zu erkennen mit Römer 12, Vers 12:

Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.

Gut gesagt, Herr Pastor, meinte er dann. Aber wieder typisch Kirche! Imperativ! Seid fröhlich in Hoffnung? Auf Befehl gehe das kaum.

Wir einigten uns dann darauf, dass ich ihm meine Predigt über diesen Vers schicke. Ob sie ihm Hoffnung geben wird, gar fröhliche Hoffnung?

Ob sie für Sie heute Morgen hier in der Kirche im guten Sinn erbaulich wird? Eine kleine Kraftspende in der Krise? Wollen wir es hoffen!

Dazu rolle ich den Vers von hinten auf: Teil drei kommt an den Anfang:


Seid beharrlich im Gebet!

Bringt das was?

So fragen viele Konfirmanden, vor allem die männlichen Geschlechts.

Mit einer Gruppe habe ich mal ein Experiment über drei Monate gemacht. Leitfrage: Verändert Beten Dinge?

Jede und jeder findet ein Anliegen, für das er oder sie betet. Drei Monate lang.

Johannes nimmt sich den Frieden auf der Welt vor, jeden Abend vor dem Einschlafen. Am Tag der Auswertung ist das Ergebnis ernüchternd. In Syrien zum Beispiel hatte sich die Lage weiter verschlimmert.

Eine Konfirmanden mit Namen Luise hatte mehr „Erfolg“. Sie betete für ihre geliebte, kranke Oma im Pflegeheim. Die zwar in den drei Monaten nicht gesund geworden war. Aber gerührt ist, dass ihre Enkelin für sie betet. Das hat sie direkt von ihr erfahren. Es hat ihr viel Kraft gegeben. Und macht sie irgendwie glücklich. Und Luise erzählt, das habe auch sie selbst verändert. So stark habe sie noch nie eine innere Verbindung zu ihrer Oma gespürt.

Verändert Beten Dinge? Ja, nein, vielleicht – Gott scheint einen langen Atem zu haben. Verändert Beten Menschen? Eindeutig Ja.

Wir sprechen dann noch über die Geduld – und andere Worte dieses Bibelverses: beharrlich, fröhlich. Ein anderes Wort für Geduld gefällt Johannes, Luise und auch den anderen: Langmut.

Gebete können kurz sein. Doch regelmäßig gesprochen machen sie lange Mut. Lebensmut.

Seid geduldig in Trübsal.

So heißt der mittlere Versteil. Welche Trübsal ist im Blick auf die Christen in Rom gemeint, die diesen Brief bekommen? Was steht dem Briefschreiber vor Augen, dem Apostel Paulus?

Oft ist in dem Zusammenhang von Christenverfolgungen die Rede. Den großen Stadtbrand von Rom im Jahr im Juli 64 nutzt Kaiser Nero, die Sekte der „Christiani“ zu beschuldigen. Die Strafe für Brandstiftung ist Verbrennung bei lebendigem Leib beziehungsweise Tod am Kreuz. Oder Mensch als Löwenfutter in der Arena. Allein, der Römerbrief ist einige Jahre vorher geschrieben. Ob Paulus schon ahnt, was kommen wird?

Ach, liebe Gemeinde, wir dürfen uns da, denke ich, ganz einfach mit angesprochen fühlen. Trübsal blasen, das tun wir ja auch: Weniger über Christenverfolgung als vielmehr über die jetzt schon so genannten „Corona-Zeiten“.

Fast alle können zum Klagelied ihre persönliche Strophe beitragen. Und davon abgesehen – wir wissen aus unserem eigenen Umfeld: Trotz (oder wegen?) wachsenden Wohlstands nehmen Depressionen zu. Und da kann es schon mal an Geduld mangeln mit den Betroffenen, auch seitens der Betroffenen selbst. Geduld ist fast immer etwas, dass wir zu verlieren drohen - gerade die Geduld mit uns selbst.

Wie können wir sie zurück gewinnen?

Paulus gibt eine klare Antwort: Indem wir uns an Gott halten.

Der selbst barmherzig, geduldig und gnädig ist. (PSALM 103)

Von dessen Liebe, die in Christus Jesus ist, uns nichts und niemand trennen kann. So steht es in genau in der Mitte der 16 Römerbrief – Abschnitte, am Ende von Kapitel 8.

Nun könnte aber jemand einwenden: Wozu dann überhaupt noch beten? Wenn Gott eh die Liebe ist...Und denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, wie es doch auch im Römerbrief heißt?

Darauf hat der Hamburger Theologe Helmut Thielicke mal eine Antwort gegeben, die mir bis heute einleuchtet. Zu einer Liebe gehören zwei. Ganz klassisch zum Beispiel in der Ehe, wenn zwei sich dauerhaft lieben wollen.

Was passiert mit der Ehe, wenn beide aufhören, miteinander zu sprechen? Genau, sie erkaltet. Bei Gott und Mensch ist es doch genauso: Deine Liebe zu ihm erfriert auch, wenn du aufhörst mit ihm zu sprechen.

Wirf dein Anliegen auf den Herrn! Gott heilt die zerbrochene Seele, wenn du ihm alle Stücke überlässt.

Und dann kannst du am Ende – wir kommen zum ersten Versteil – tatsächlich fröhlich werden in Hoffnung. Ich drehe also den Vers um:

Sei beharrlich im Gebet, gewinne neue Geduld in deiner Trübsal, dann kann ganz gut neue Hoffnung keimen. Und wachsen.

Ein lieber Kollege schickte mir die plattdeutsche Übersetzung von Römer 12,12 von Gerrit Herlyn aus Ostfriesland:

Alltied blied wesen und hopen! Gedürig blieven unner Lasten. Anhollen mit beden.

Übersetzen muss ich hier nur blied, oder? Na klar: Fröhlich!

Wichtig finde ich: Alltied! Es gehört Regelmäßigkeit zum Beten. Ich kenne Menschen in unserer Gemeinde, die haben eine kleine Liste von Menschen, für die sie jeden Abend beten, zur gleichen Zeit, am gleichen Ort. Beten verändert Menschen. Beten lässt auch eine Krise in anderem Licht erscheinen.

Geduldig ist der Herr, und von großer Güte.

Ein Schlussgedanke geht zu „meinem“ Gastwirt vom Anfang der Predigt:

Du kannst den Vers auch anders übersetzen als imperativ. Es geht auch im Indikativ. Hören wir auf die neu durchdachte Version der Züricher Bibel:

In der Hoffnung freuen wir uns, in der Bedrängnis üben wir Geduld, am Gebet halten wir fest.

Und Gottes Friede, der weiter reicht als alle menschliche Vernunft, der wird unsere Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus.

Amen.