Lukas 1, Verse 67 -79 - Pastorin coll. Carolin Zierath

Predigt am 13. Dezember 2020 (3. Advent)

Liebe Gemeinde,

Stumm sein ist nicht schweigen. Sprachlosigkeit ist nicht Stille. Nach Stille und Schweigen sehnen wir uns manchmal. Sprachlosigkeit und Stummsein machen uns Angst. In Zeiten wie diesen, da sind wir manchmal einfach sprachlos, da verstummen wir angesichts dessen, was sich in der Welt und in unserem Land gerade abspielt. Da sehnen wir uns nach Stille und Schweigen, um innere Ruhe und Frieden zu finden. Doch nur selten finden wir Raum und Zeit dafür.

Zacharias, so erzählt uns Lukas im 1. Kapitel seines Evangeliums, war stumm. Nicht schon immer. Er war Priester im Tempel, da musste er reden können im Gebet, in den Lesungen aus der Thora, in der Predigt und im Gespräch mit der Gemeinde. Er war plötzlich verstummt, als der Engel ihm und seiner Frau Elisabeth die Geburt eines Kindes ankündigte. Zacharias und Elisabeth waren kinderlos und alt geworden, längst zu alt, um noch ein Kind miteinander zu haben. Nun konnte er seinen Dienst im Tempel nicht mehr tun. Er war sprachlos geworden. Verstummt. Aus Angst? Aus Scham? Oder war er gar nicht stumm, sondern hatte sich nur für diese besondere Zeit in die Stille und ins Schweigen zurückgezogen, um ganz auf Gott zu hören? Vielleicht war es auch beides. Er verstummte angesichts dessen, was ihm wiederfuhr und zog sich dann ins Schweigen, in die Stille mit Gott zurück…

Und seine Frau Elisabeth? Sie zog sich ebenfalls zurück, vor allem in den ersten Monaten ihrer Schwangerschaft, ängstlich, verschämt, vielleicht auch unsicher. Was sollten nur die Leute nur denken? Schwanger, und das in ihrem Alter. Doch das änderte sich, als Maria zu ihr kam, ihre junge Verwandte. Sie war ledig und schwanger. Ein Skandal eigentlich auch das. Aber Maria war glücklich und voller Lob und Dank darüber. Und als Maria sie besuchte, da spürte plötzlich auch Elisabeth: Das war etwas ganz Besonderes, was Gott mit ihnen beiden vorhatte und mit den Kindern, die sie erwarteten. Und ihre Freude wuchs.

Mit der Geburt ging alles gut. Elisabeth bekam einen Jungen. Nach jüdischer Sitte wurde er am 8. Tag beschnitten und viele Verwandte und Nachbarn kamen zu diesem Ereignis. Als Elisabeth gefragt wurde, wie der Junge heißen solle, sagte sie: Johannes. Üblich ist es, den Sohn nach seinem Vater zu benennen, aber das tat Elisabeth nicht. Sie gab ihrem Sohn einen Namen mit besonderer Bedeutung. Johannes, das heißt: Gott ist gnädig. So muss sie es empfunden haben, das Glück der Mutterschaft in ihrem Alter. Die Verwandten und Bekannten wollen das nicht akzeptieren, diesen Namen, der in ihrer Familie gar nicht vorkam. Und sie sagten zu Zacharias, den Verstummten, er solle den Namen des Kindes aufschreiben. Das ist sein Recht als Vater. Zacharias schreibt ebenfalls: Johannes. Und plötzlich kann er wieder sprechen, er bricht das Schweigen und  spricht. Nein, er spricht nicht nur, er jubelt, er singt ein Loblied auf Gott und auf sein Kind.

Ich lese aus dem Lukasevangelium 1,67-79 nach der Lutherübersetzung:

67Und sein Vater Zacharias wurde vom Heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach:
68Gelobt sei der Herr, der Gott Israels!
Denn er hat besucht und erlöst sein Volk
69und hat uns aufgerichtet ein  Horn des Heils
im Hause seines Dieners David –
70wie er vorzeiten geredet hat
durch den Mund seiner heiligen Propheten –,
71dass er uns errettete von unsern Feinden
und aus der Hand aller, die uns hassen,
72und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern
und gedächte  an seinen heiligen Bund,
73an den  Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham,
uns zu geben, 74dass wir, erlöst aus der Hand der Feinde,
ihm dienten ohne Furcht 75unser Leben lang
in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen.
76Und du, Kindlein, wirst Prophet des Höchsten heißen.
Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest
77und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk
in der Vergebung ihrer Sünden,
78durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes,
durch die uns besuchen wird
das aufgehende Licht aus der Höhe,
79auf dass es erscheine denen, die
sitzen in Finsternis und Schatten des Todes,
und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

Liebe Gemeinde,

Zacharias hat seine Sprache wieder. Sein Schweigen ist gebrochen. Warum er plötzlich wieder redet und warum er überhaupt verstummt war: Lukas schweigt darüber. Wir können nur vermuten, dass die Sprachlosigkeit ihn in die Stille zu Gott geführt hat und diese Zeit für ihn eine ganz besondere Zeit war, eine Zeit der Vorbereitung auf das, was da kommen würde: Sein Sohn. Und nun, da diese da ist und einen Namen hat, kann er wieder sprechen. Und nicht nur das: Er wird vom Heiligen Geist erfüllt, er spricht wie ein Prophet. Das heißt, er spricht ja nicht, er singt, er jubelt, es singt die Freude förmlich aus ihm heraus. Das finde ich großartig. Die ersten Wort, die nach Monaten der Sprachlosigkeit und des Schweigens aus ihm herauskommen sind: „Gelobt sei der Herr, der Gott Israels!“ Ein Lob ist das erste, was ihm über die Lippen kommt. Er lobt Gott dafür, dass trotz allem, was eigentlich dagegen sprach, ihnen ein Kind geschenkt wurde. So groß ist Gott. So barmherzig ist Gott. Er vergisst sein Volk nicht, auch die nicht, die in der Finsternis sitzen oder von Feinden umgeben sind. Er vergisst seine Menschen nicht, auch nicht ein kinderloses Ehepaar, das sich längst abgefunden hat mit dem Makel der Kinderlosigkeit. Zacharias findet nicht nur seine Sprache wieder. Er findet neue Worte, neue Hoffnung, preist und lobt Gott mit neuer Kraft, der sein Volk nicht vergessen hat, sondern immer neue Wunder an ihm tut und tat. Seine eigene Lebensgeschichte erscheint ihm plötzlich in neuem Licht. Sie ist untrennbar verknüpft mit der Geschichte des Volkes Israel. Gott sendet Rettung. Gott bringt Licht. Und Gott hat auch für die Zukunft einen Heilsplan, verbunden mit diesem kleinen neugeborenen Kind, das ein Prophet und Wegbereiter des Heilands werden soll. Das alles sieht Zacharias geisterfüllt und jubelt darüber.

Er sieht das aufgehende Licht aus der Höhe, so heißt es am Ende des Lobliedes. Ein tolles Bild. es bezeichnet eigentlich eine Himmelserscheinung, etwa die Morgenröte, erscheint im ersten Testament aber auch an Stellen, wo der „Spross“ aus dem Hause Davids angekündigt wird. Etwas kommt aus der Höhe, vom Himmel, wächst aber zugleich von unten auf. »Das aufgehende Licht aus der Höhe« ist einerseits ein schönes Bild für die frohen Erwartungen, die sich an das Weihnachtsfest knüpfen, eine Metapher für Lichterglanz und Kerzenschein, andererseits macht es deutlich, wie sich im Heilshandeln Gottes Himmel und Erde untrennbar verbinden. Gott kommt zu uns. Gott braucht es, dass wir mit ihm in Beziehung sind, Gott braucht uns, so wie wir Gott und seinen Segen brauchen.

Und plötzlich, so merkt Zacharias, macht alles einen Sinn. Alles erscheint richtig und das ganze Leben voller Freude.

Die Geschichte von Zacharias und Elisabeth zeigt uns: Unsere Hoffnung ist nicht vergeblich. Gott ist mit uns auf dem Weg. Und wir sind – wie Johannes – Wegbereiter Gottes. Manchmal können wir das vielleicht nicht erkennen. Dazu helfen uns Schweigen und Stille. Dazu helfen uns die Erzählungen der Bibel und die Lieder, die wir singen. Dazu hilft uns, wenn wir einander erzählen von den Momenten der Klarheit, der Vorfreude und Besinnung, die wir schon erlebt haben. Und unser unbeirrtes Handeln für Frieden und Gerechtigkeit helfen auch. Denn wir wissen: Alles ist mit allem verbunden. Nichts, was wir Gutes tun, ist vergeblich. Unsere Lebensgeschichte ist verwoben in die große Geschichte Gottes mit seiner Schöpfung. Und wir dürfen an jedem Tag unseres Lebens neu beginnen, mit neuen Worten, neuer Hoffnung, neuem Glauben.

So können wir auch in der Adventszeit immer wieder neu beginnen uns auf Gott zu besinnen und ihm den Weg zu bereiten. Auch wenn die Welt und ihre Ereignisse uns verstummen lassen, so können wir uns in die Stille mit Gott zurückziehen, ihm den Weg bereiten und ihm vor Freude jubeln. So wie der Engelschor an Weihnachten.  

So bereiten wir dem Herrn den Weg: Schweigen, Beten und vor allem Jubeln und Lobpreisen. Amen.