Predigt von Pastor i.R. Paul Oppenheim
über das Lied "Großer Gott, wir loben dich" (EG 331)
am Neujahrstag 1. Januar 2022

Liebe Gemeinde,
Großer Gott, wir loben Dich

Welch ein mächtiges Lied!

Im bundesweiten Wettbewerb der Lieblingslieder, die man sich für das neue Gesangbuch wünscht, kam es auf den dritten Platz. Auf Platz eins stand das Lied „Von wunderbaren Mächten“, das wir am Anfang gesungen haben und auf Platz zwei das Sommerlied „Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit“.

Dann „Großer Gott wir loben Dich“ auf Platz drei!

Frisch im Gedächtnis haben wir, dass sich Angela Merkel dieses Lied zu ihrem Abschied gewünscht hat - beim großen Zapfenstreich. Die Militärkapelle spielte es feierlich und es war ein besonderer Moment. Unsere scheidende Kanzlerin hatte sich ein Kirchenlied gewünscht. Darüber haben sich unsere Journalisten gewundert. Prompt sprachen sie davon, dass die Pfarrerstochter an ihre Wurzeln im evangelischen Pfarrhaus erinnern wollte. Dabei hatte die kluge Frau Merkel ein katholisches Kirchenlied ausgewählt. Vermutlich ganz bewusst. Sie hätte unter hunderten evangelischer Kirchenlieder eins auswählen können, entschied sich aber ausgerechnet für dieses Lied von einem katholischen Priester aus Schlesien. Als eines von ganz wenigen katholischen Lieder hat es in unser evangelisches Gesangbuch Eingang gefunden hat. Ein ökumenisches Zeichen! Augenzwinkernd ruft Angela Merkel uns Christen zur Einheit auf.

Auch für mich verbindet sich dieses Lied mit der Erinnerung an wunderschöne ökumenische Gottesdienste, die wir zu Silvester mit der katholischen Gemeinde gefeiert haben. „Großer Gott, wir loben Dich!“ Das war der Höhepunkt! Evangelische und Katholiken – wir konnten es gemeinsam singen aus voller Kehle und wussten uns zusammengehörig.

Deshalb finde ich das WIR so wichtig - gleich am Anfang: Wir loben dich, wir preisen deine Stärke! Von Anfang an werden wir hineingenommen in etwas Größeres, in eine Gemeinschaft, Der Lob des großen Gottes vereint uns, nicht nur hier im Gottesdienst, sondern weltweit und sogar mit den Engeln, mit Cherubim und Seraphinen und mit der ganzen Natur, Himmel, Erde, Luft und Meere, und weiter im Lied kommen noch die Apostel hinzu und die Propheten und die Glaubenszeugen vergangener Zeiten.

Der große Gott macht uns nicht klein. Er lässt uns teilhaben an etwas Großes, er lässt uns Anteil haben an seiner Herrlichkeit. Er ruft uns zu sich.

Wir haben vor Augen, was wir vorhin hörten in der Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja: Die Vision des Propheten: Gott auf einem Thron, hoch und erhaben und über ihm sind die Flügelwesen, die unablässig rufen: Heilig, heilig, Heilig ist der Herr der Heerscharen, Jahwe Zebaoth. Und dieser große Gott ruft den Propheten zu sich: „Wen werde ich senden?“

Gott sitzt auf einem Thron, hoch und erhaben, unerreichbar, „Vor dir neigt die Erde sich und bewundert deine Werke“… Die Herrlichkeit Gottes wird besungen, Ehre sei Gott in der Höhe, so wie wir es auch aus der Weihnachtsgeschichte kennen. Allein Gott in der Höh sei Ehr, wie wir es anfangs gesungen haben.

Es ist uns vertraut und doch hat es etwas Fremdes an sich? Dieses Loben und Preisen, dieses Ehren und Verherrlichen!

Als es noch Könige und Kaiser gab, vor denen man sich tief verbeugte oder sich gar niederkniete oder zu Boden warf, als es Herrscher gab, die auf einem Thron saßen, die besungen, gepriesen, gelobt und bewundert wurden, ja da konnte man sich so etwas besser vorstellen. Heute gibt man niemandem die Ehre, schon gar nicht denen, die regieren, im Gegenteil. Politiker werden beschimpft, Bürgermeister bedroht, Lehrer ausgelacht, Polizisten angegriffen und Vater und Mutter ehren? Na ja. Auch das ist selten geworden.

Das mit dem Loben und Ehren und Preisen, das kennen wir nur noch aus Märchen und aus Filmen. Es ist Fantasie, Vergangenheit, ein alter Zopf.

Vor einigen Tagen, auf dem Rückweg aus dem Rheinland sahen meine Frau und ich ein Hinweisschild an der Autobahn, zum Altenberger Dom. Kurz entschlossen sind wir von der A1 abgefahren und plötzlich war da diese riesige gotische Kirche, die da umgeben von Wäldern und Hügeln etwas verloren im Tal steht. Ja, es war dort einmal ein großes Kloster, aber dieser Dom hätte für eine Großstadt gereicht. Mitten im bergischen Land gibt es weit und breit keine Großstadt. Uns wurde klar, dass dieser riesige Bau nicht unter praktischen Gesichtspunkten gebaut wurde. Es ging nie darum, genügend Platz für viele Menschen zu haben, es ging gar nicht um Menschen, sondern um Gott. Der Dom ist zwar einfach und nüchtern, ohne Farben beinahe ganz ohne Bilder oder Statuen. Dafür aber viel Höhe und Licht. Die riesigen Kathedralen und Kirchtürme, die wir überall in Europa bewundern, sind Ausdruck der Verehrung Gottes, Gotteslob in Steinen und Glas. Die Blicke richten sich nach oben entlang der Säulen und Fenster: Großer Gott wir loben Dich!

Im Altenberger Dom, der seit über 160 Jahren gemeinsam genutzt wird von einer evangelischen und eine katholischen Kirchengemeinde, da gingen unsere Blicke zuerst nach oben, aber dann suchten wir den Ausgang, den Seiteneingang und da im Halbdunkel stand eine große Krippe. Unsere Blicke gingen zum Kind im Stroh. Auch im Lied gibt es so eine Gegenbewegung. Aus der Höhe kommt der große Gott auf uns zu. Wir denken an Weihnachten. Aus seiner unerreichbaren Höhe kommt Gott zu uns Menschen auf die Welt. Das bildet den Mittelpunkt unseres Glaubens, dass Gott nicht nur den Weltall ausfüllt, nicht nur Gott der Sterne, sondern auch, Gott der kleinen Menschen, die wir sind mit unserem persönlichen Schicksal, mit Freud und Leid, mit allem, was wir mit uns tragen von einem Jahr zum anderen an Schuld und Versäumnissen, an Trauer und Hoffnung. Lasst uns die Strophen 6 bis 8 miteinander singen:

Lied 331, 6 -8

Wir beginnen heute das neue Jahr. Da nimmt man sich gerne etwas vor. Gleich werden wir mit der 10 Strophe singen: „ Alle Tage wollen wir dich und deinen Namen preisen und zu allen Zeiten dir Ehre, Lob und Dank erweisen!

Ja, das könnten wir uns doch vornehmen!

Vielleicht haben wir darin keine große Übung. Wenn wir beten, ist es oft ein Bitten, manchmal eine Klage oder auch ein Dank. Gott die Ehre geben, ihn loben und preisen, das fällt uns heutzutage schwerer. Da helfen Lieder wie „Großer Gott wir loben Dich“, da können wir sicher von anderen christlichen Kirchen etwas lernen aber wir können auch aus unserer reformierten Tradition schöpfen. Die reformierten Psalmgesänge sind voll des Lobes für den großen Gott, der unser Leben in seinen Händen hält, der unser einzig Trost ist im Leben und im Sterben.

Auf dem Weg ins neue Jahr soll uns der Gedanke begleiten, dass nicht Menschen, und seien sie noch so klug und mächtig, sondern Gott alleine unser Leben bestimmt und uns begleitet im Leben, im Sterben und über den Tod hinaus.

Lasst uns darum schließen mit den letzten drei Strophen des Liedes 331, als Bekenntnis zum starken Helfer in der Not, auf den wir fest vertrauen und auf den wir unsere Hoffnung setzen.

Amen