Predigt von Pastorin coll. Carolin Zierath
über Apostelgeschichte 17, Verse 22-34

am Sonntag Jubilate, den 25.April 2021

Liebe Gemeinde,

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht in der Apostelgeschichte, Kapitel 17, Verse 22-34. (Übersetzung Basis Bibel)

22Paulus trat in die Mitte des Areopags und sagte: »Ihr Bürger von Athen! Nach allem, was ich sehe, seid ihr sehr fromme Leute.23Ich bin durch die Stadt gegangen und habe mir eure heiligen Stätten angeschaut. Dabei habe ich auch einen Altar gefunden, auf dem stand: ›Für einen unbekannten Gott‹. Das, was ihr da verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch.

24Es ist der Gott, der die Welt geschaffen hat und alles, was in ihr ist. Er ist der Herr über Himmel und Erde. Er wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand errichtet wurden.25Er ist auch nicht darauf angewiesen, von Menschen versorgt zu werden. Er ist es doch, der uns allen das Leben, den Atem und alles andere schenkt.26Er hat aus einem einzigen Menschen die ganze Menschheit hervorgehen lassen, damit sie die Erde bewohnt. Für jedes Volk hat er festgesetzt, wie lange es bestehen und in welchen Grenzen es leben soll.27Er wollte, dass die Menschen nach ihm suchen –ob sie ihn vielleicht spüren oder entdecken können. Denn keinem von uns ist er fern.28Durch ihn leben wir doch, bewegen wir uns und haben wir unser Dasein. Oder wie es einige eurer Dichter gesagt haben: ›Wir sind sogar von seiner Art.‹ 29Weil wir Menschen also von Gottes Art sind, dürfen wir uns nicht täuschen: Die Gottheit gleicht keineswegs irgendwelchen Bildern aus Gold, Silber oder Stein. Die sind nur das Ergebnis menschlichen Könnens und menschlicher Vorstellungskraft.30 Nun – Gott sieht nachsichtig über die Zeiten hinweg, in denen die Menschen ihn nicht gekannt haben. Aber jetzt fordert er alle Menschen an allen Orten auf, ihr Leben zu ändern.31Denn Gott hat einen Tag festgesetzt, um über die ganze Welt zu richten. Dann wird er Gerechtigkeit walten lassen –durch den Mann, den er dazu bestimmt hat. Dass dieser Mann wirklich dafür bestimmt ist, hat Gott allen Menschen durch dessen Auferstehung von den Toten bewiesen.«

32Als Paulus von der Auferstehung der Toten sprach, lachten ihn einige seiner Zuhörer aus. Aber andere sagten: »Darüber wollen wir ein andermal mehr von dir hören!« 33So verließ Paulus die Versammlung.34Einige Leute schlossen sich ihm an und kamen zum Glauben. Unter ihnen war Dionysius, der dem Areopag angehörte, eine Frau namens Damaris und noch einige andere.

 

Liebe Gemeinde,

In der Apostelgeschichte sind uns einige Reden und die Reisen des Paulus überliefert. Daher wissen wir, dass Paulus vor seiner Rede auf den Areopag in Athen mit Silas und Timotheus in Thessalonich gewesen und dann mit diesen nach Beroia gereist ist. Aber die Gegner und Verfolger der Christen machten immer wieder Schwierigkeiten. Und so musste Paulus sich erst einmal in Sicherheit bringen und alleine weiter nach Athen reisen. Dort wartete er auf seine Begleiter Timotheus und Silas.

In der Zeit des Wartens saß er aber nicht nur tatenlos herum, nein, er schaute sich ganz genau in Athen um.

Athen war eine imposante Stadt mit der Akropolis, dem Zeustempel und all den anderen Tempeln und Götterstatuen, und mit dem Areopag, auf dem sich die Philosophen zum Gedankenaustausch zu treffen pflegten.

Paulus geht durch Athen – und guckt sich mit offenem Blick an, wie die Menschen dort leben und was sie glauben, wen sie verehren, woran sie ihr Herz hängen.

Er sieht, dass sie offensichtlich verschiedene Götter verehren. Ein gläubiges Volk also. Ein Volk, das jedem Gott und jeder Göttin einen eigenen Tempel baut.

Falls sie aber irgendeinen Gott vergessen haben sollten, den sie noch nicht kennen, wird auch für den sicherheitshalber ein Tempel gebaut und „Dem unbekannten Gott“ geweiht.

Paulus erkennt hier nicht nur eine große Frömmigkeit bei den Menschen. Er erkennt auch, dass sie teilweise verunsichert sind. Wenn es nun noch mehr Götter gibt? Wenn wir einen übersehen oder vergessen haben – was dann?!

Darauf baut er auf. Er bereitet sich auf seine Rede in Athen gut vor. Er will den Menschen Sicherheit schenken.

Er spricht dort nicht in einer jüdischen Synagoge, also zu Menschen, die bereits etwas von seinem Gott wussten. In Athen gab es eine Synagoge, und in dieser hatte er zuvor einige Unterredungen gehabt. Aber hier nun war Paulus mit einem komplett anderen Weltbild konfrontiert, nämlich dem Hellenismus. Die Menschen glaubten an eine Vielzahl von Göttern. Den Altar für den unbekannten Gott nimmt er zum Anlass einer Rede. Dabei fällt auf, dass er die Anzahl der Fülle der Gottheiten nicht kritisiert. Seine Rede ist keine polemische Abrechnung mit anderen Religionen, seine Rede ist ein Lied auf einen Gott, der unverfügbar, namenlos, überraschend und fremd ist.

Er konfrontiert die Athener mit etwas ganz Neuem: Dieser unbekannte Gott wohnt nicht ein einem Tempel von Menschen gemacht. Selbst die Juden hatten ja ihren Tempel und meinten bisweilen, Gott würde darin wohnen. Die Götter der Griechen waren recht menschliche, persönliche Götter mit allerlei menschlichen Bedürfnissen. Sie wohnten hauptsächlich auf dem Olymp, dem höchsten Berg Griechenlands. Einige kleinere Götter konnten auch in der Natur, etwa in Pflanzen leben. Aber Gott, der Schöpfer allen Seins wohnt eben nicht dort.

Paulus erklärte den Athenern dieses Neue sehr behutsam. Er spielte sich ganz und gar nicht wie ein Lehrmeister auf, sondern stellte sich wieder auf eine Ebene mit seinen Hörern. er wird persönlich. Er nimmt sie mit in die Geschichte seines Gottes und in seine eigene Geschichte.

Die Athener waren sensibel und geübt in philosophischem Denken. Also begriffen sie es wohl auch, als Paulus ihnen erklärte, dass dieser Gott die Menschen gemacht hat. Das ist auch für die Athener logisch nachvollziehbar. Überall in der Natur begegnen und erleben wir Gott. Es gibt eben nicht einen Posseidon für das Meer und einen Apollon für alles Schöne. Alles  ist von dem einen Gott geschaffen worden. „Durch ihn leben wir, bewegen wir uns und haben wir unser Dasein.“ sagt Paulus in Vers 28 und zitiert hier sogar den hellenistischen Dichter, Aratus, der sagte „Wir sind sogar von seiner Art.“

Nachdem Paulus anhand der Reaktionen seiner Zuhörer offensichtlich gespürt hat, dass diese seine Annäherungsversuche akzeptierten, ging er behutsam einen Schritt weiter.

Die Athener hatten zu Ehren ihrer Götter wunderschöne Kunstgegenstände geschaffen. Paulus verteufelte diese ganz und gar nicht von vorne herein. Vielmehr achtete er sie als Kunstgegenstände. Aber er erklärte den Athenern auch, dass Gott eben viel mehr ist als nur ein Werk eines Künstlers.

Paulus bezeichnete dieses Handeln der Athener als Unwissenheit. Sie haben es bislang eben nicht besser gewusst, also war Gott darüber auch nicht zornig gewesen (Vers 30). Jetzt aber ist Paulus da, jetzt hat er ihnen erklärt, was der richtige Weg ist. Jetzt ist die Zeit gekommen, sein Leben zu ändern, umzukehren und Buße zu tun.

Und hier nun führt Paulus erst die Person Jesus ein und sagt auch gleich, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat. Nun aber wenden sich die Menschen ab, spotten über ihn oder sie sagen: „Darüber wollen wir ein andermal mehr von dir hören.“

Warum veranlasst gerade die Rede von der Auferstehung Jesu die Menschen dazu so zu reagieren?

Nun, im Römischen Reich, zu dem Athen damals gehörte, war es gefährlich, an die Auferstehung zu glauben. Andere Religionen wurden sowieso nicht gerne gesehen. Der Kaiser in Rom war göttlich und wurde nach seinem Tod zum Gott erklärt. Dies sollten die Menschen glauben. Auferstehung wurde nicht grundsätzlich geleugnet. Wer aber an die Auferstehung Jesu glaubte, schwächte damit die Macht der römischen Herrscher.

Außerdem: Wer an die Auferstehung glaubt, lässt sich nicht mehr ohne weiteres unterdrücken. Wenn ich glaube, dass ich auferstehen werde, fürchte ich den Tod nicht oder nicht so sehr. Wer den Tod nicht fürchtet, kann nicht mit Androhung von Gewalt und Tod bezwungen werden. Wer an die Auferstehung der Toten glaubt, nicht nur an die Auferstehung Jesu Christi, hat ein ganz anderen, viel umfassenderen Gerechtigkeitsbegriff als es für gehorsame Untertanen im römischen Reich wünschenswert ist.

Wenn nun also Paulus auf dem Aeropag von Gott und Jesus redet, ist so lange alles gut und interessant, wie er nicht von Auferstehung redet.

Als er das tut, fangen die einen an zu spotten. Sie versuchen, Paulus lächerlich zu machen, um sich selbst nicht zu gefährden. Sie liefen sonst wohlmöglich Gefahr, als Gegner des Kaisers verfolgt zu werden.

Andere sagen ihm er solle lieber aufhören und später weiter reden – wahrscheinlich in geschütztem Raum, wenn nicht befürchtet werden muss, dass sie bespitzelt werden.

Paulus selbst weiß von der Gefahr. Er selbst begibt sich ständig in Gefahr. Er wurde schließlich bereits verfolgt. Doch das hält ihn nicht davon ab, von diesem Gott und von der Auferstehung zu reden. Damit setzt er auch ein politisches Zeichen: „Ich lasse mich nicht von Euch einschüchtern! Mein Glaube ist stark über jede Verfolgung hinweg!“

Diejenigen, die sich ihm anschließen, Dionysius, Damaris und weitere mit ihnen – sie lassen sich auf diesen Glauben ein. Sie schrecken nicht zurück vor der Gefahr. Dieser Gott überzeugt sie. Vielmehr überzeugt Paulus sie von diesem Gott.

Mich überzeugt auch vieles an dieser Rede des Paulus.

Zunächst einmal zeigt mir Paulus:

Wenn wir anderen Menschen begegnen und ihnen von Jesus erzählen wollen, müssen wir uns in ihr Denken hineinversetzen. Wir dürfen ihnen kein Gefühl der Geringschätzung oder Ablehnung vermitteln, indem wir ihnen etwa sagen: „Alles, was Du bislang geglaubt hast, ist sowieso Quatsch.“ Das wäre ein völlig falscher Ansatz. Wir müssen vielmehr die Denkweisen unseres Gegenübers achten und das auch zum Ausdruck bringen. Dadurch vermitteln wir dem Anderen, dass wir ihn respektieren. Erst dann können wir in ihm die Bereitschaft wecken, offen für unser Denken, also offen für das Evangelium zu sein.

Aber vielmehr noch nehme ich mit:

Paulus steht da auf dem Areopag als einer, der niemandem gehört, außer dem Leben, dem Gott des Lebens, dem Gott, der lebendig macht. Er lässt den Tod nicht das letzte Wort haben, er glaubt dem Tod nicht. Er glaubt dem Gott, der alles geschaffen hat und von dessen Art wir auch sind. Er ermutigt zum Widerstehen gegen den Tod. Er ermutigt zur Hoffnung und erzählt in einem sehr kurzen aber präzisen Abriss die Geschichte seines Gottes, von der Erschaffung des einen Menschen, aus dem die ganze Menschheit geschaffen wurde bis hin zu dem Mann, der den Tod überwunden hat und einmal Gerechtigkeit walten lassen wird. Er erzählt die vergangene Geschichte, damit diese auf gegenwärtige Geschichte positive Auswirkung haben kann.

Seine Rede ist eine Ermutigung. Eine Spurensuche nach Hoffnung, die die Not in Jubel umschlagen lässt.

Ich lese unseren Predigttext als eine Geschichte der großen Hoffnung. Paulus spricht sich selbst und anderen Menschen immer wieder diese Hoffnung zu. Und Hoffen macht widerständig. Im Widerstand gegen den Tod keimt die Hoffnung auf gelingendes Leben. Somit ist diese Rede des Paulus eine Einladung zum Jubel. Ein Jubel, der die Gierigen, Mächtigen, Korrupten und Kriegstreibenden zum Verstummen bringt. Es ist die Einladung zum Aufbruch in eine neue Zeit. Eine andere Welt ist möglich!

Heute, am 25. April, ist der Tag des Baumes. Wie so viele andere Menschen frage auch ich mich: wie geht es den Bäumen und Wäldern dieser Welt heute? Wie geht es unserem Klima, welche Folgen hat die Vereinnahmung der Schöpfung? Ist nicht die Pandemie auch eine solche Folge, wenn wir in die Lebensräume der Pflanzen und Tiere vordringen und sie zerstören. So kommen wir auch in Berührung mit noch unbekannten Viren, die von Tieren auf Menschen überspringen können. Ebenso fördert die Massentierhaltung die Verbreitung von Viren. Was ziehen wir eigentlich für Konsequenzen aus der Geschichte?

Wie die Götter in Athen, haben auch unsere Götter heute Namen. Sie haben viele Namen. Sie heißen Wachstum, Fortschritt, Konsum, Mobilität, Internet, Globalisierung…

Gibt es zwischen all den Göttern eigentlich noch ein Altar, einen Raum für den unbekannten Gott, für unseren Gott? Ist unser Gott heute wieder ein unbekannter Gott?

Wir sollten ihm und seiner Schöpfung wieder mehr Raum schaffen.

Möge es auch mit leisen Tönen sein. Mit stillem Widerstehen. Oder mit größeren Schritte zu einem bewussteren Leben mit weniger Haben, aber mehr Sein. Es kann Beten sein, aber auch Protestieren. Es kann lieben und lachen sein.

Mit Sprache fängt es an.

Neue Worte gegen den Verbrauch.

Mehr Hoffen als immer nur auf Zahlen zu setzen.

Entgegen aller Erwartungen einfach mal wieder Jubeln!

Amen.