Predigt von Pastorin coll. Carolin Zierath
über Johannes 21, Verse 2-14
am 11. April 2021

Liebe Gemeinde,

Es sind Szenen wie aus einem dramatischen Actionfilm. Ein Superheld, der mit seinen zwölf Freunden und einigen Freundinnen die Welt vor dem Bösen zu retten versucht. Im Tempel haut er ordentlich auf den Putz, er treibt Dämonen aus und legt sich ständig mit irgendwelchen einflussreichen Menschen an. Der Held weiß, er lebt gefährlich. Und so kommt die Zeit, dass seine Freunde Zeugen seiner Festnahme und sogar seines Todes werden. Das war es dann wohl. Aus mit dem Held und den Heldentaten. Kaum zu glauben. Jetzt ist er weg. Er, der ihnen so ans Herz gewachsen war. Tiefe Leere im Herzen, das traurige Gefühl des Alleinseins macht sich breit.  Was bleibt?

Die Leute reden. Einige von ihnen reden davon, dass der Held vom Tod auferstanden ist, dass es doch noch ein Happy End gibt. Aber, können seine Freunde das wirklich glauben? Und, was bringt es ihnen? Das Leben geht weiter, sie müssen weiterleben, und zwar ohne ihn. Und das am besten so, wie sie vorher gelebt haben. Also gehen sie fischen am See Tiberias.  

Davon erzählt unser Predigttext. Er steht im Johannesevangelium, im Kapitel 21, die Verse 2-14. Ich lese aus der Basis Bibel:

2Es waren dort beieinander: Simon Petrus, Thomas, der Didymus genannt wird, Natanael aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei weitere Jünger.3Simon Petrus sagte zu den anderen: »Ich gehe fischen!« Sie antworteten: »Wir kommen mit.« Sie gingen zum See und stiegen ins Boot. Aber in jener Nacht fingen sie nichts.

4Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Die Jünger wussten aber nicht, dass es Jesus war.5Jesus fragte sie:»Meine Kinder, habt ihr nicht etwas Fisch zu essen?« Sie antworteten: »Nein!« 6Da sagte er zu ihnen: »Werft das Netz an der rechten Bootsseite aus. Dann werdet ihr etwas fangen!« Sie warfen das Netz aus. Aber dann konnten sie es nicht wieder einholen, so voll war es mit Fischen. 7Der Jünger, den Jesus besonders liebte, sagte zu Petrus: »Es ist der Herr!« Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, zog er sich seinen Mantel über und band ihn hoch. Er war nämlich nackt. Dann warf er sich ins Wasser. 8Die anderen Jünger folgten im Boot und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. Sie waren nicht mehr weit vom Ufer entfernt, nur etwa 100 Meter. 9Als sie an Land kamen, sahen sie dort ein Kohlenfeuer brennen. Darauf brieten Fische, und Brot lag dabei. 10Jesus sagte zu ihnen: »Bringt ein paar von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt.« 11Da stieg Simon Petrus ans Ufer und zog das Netz an Land. Es war voll mit großen Fischen – genau 153 Stück. Und das Netz zerriss nicht, obwohl es so viele waren. 12Da sagte Jesus zu ihnen: »Kommt und esst!« Keiner der Jünger wagte es, ihn zu fragen: »Wer bist du?« Sie wussten doch, dass es der Herr war. 13Jesus trat zu ihnen, nahm das Brot und gab ihnen davon. Genauso machte er es mit dem Fisch. 14Das war schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern zeigte, nachdem er von den Toten auferstanden war.

Liebe Gemeinde,

Da stehen sie nun die sieben Jünger: Simon Petrus, Thomas, Nathanael, die Söhne des Zebedäus und zwei andere Jünger. Sie gehen fischen – das, was sie bevor sie mit Jesus unterwegs waren auch getan haben. Zurück zum Alltagsgeschäft. Die Jünger  machen das, was sie gelernt haben. Aber eigentlich muss man wohl sagen, dass die Jünger das Fischen verlernt haben. Die ganze Nacht auf dem See zugebracht und nichts gefangen. Das ist doch ein Start in den Alltag, wie man ihn sich wünscht. Und dann dieser Frühaufsteher dort am Strand, der einem bei der Arbeit zusieht und gute Ratschläge erteilt. Es ist Jesus, dieser Frühaufsteher. Jesus steht am Strand, aber „die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.“ Doch dann sorgt Jesus dafür, dass die Jünger einen Riesenfang machen. „Da warfen sie das Netz aus und konnten es nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische“. Ein Netz voller Fische.

Eigentlich total super, nur dass die Jünger plötzlich vor einem ganz neuen Problem stehen. Ein volles Netz und keine Kraft! Gestandene Männer, die Arbeiten konnten, haben keine Kraft mehr. Jesus kommt so machtvoll in ihren Alltag, dass ihnen die Kraft ausgeht. In diesem Moment als sie den Riesenfang machen begreifen die Jünger, wer der Mann am Strand ist. Jesus steht da – ihr Herr. Die Jünger haben überhaupt nicht mit Jesus gerechnet. Völlig unvorbereitet trifft sie die Begegnung mit ihm.

Er allein war es, der ihre Netze gefüllt hat. Der Herr ist es, der sie zum Teil eines Wunders gemacht hat. 153 Fische haben sie gefangen.  153 – eine merkwürdige Zahl über die ich gestolpert bin. Endet Jesu Fürsorge bei 153 Fischen?

Nicht ganz. 153 ist die Zahl, die in der jüdischen Zahlensymbolik für die absolute Fülle steht. Wenn die Jünger 153 Fische im Netz hatten, dann hatten sie alles bekommen, was man überhaupt bekommen konnte.

Jesus schenkt alles und das in Fülle – mehr geht nicht! Im Boot noch hatte Petrus nicht die Kraft das Netz mit den anderen Jüngern einzuholen, aber kaum ist Jesus da, werden in ihm Kräfte geweckt und das Netz wird zur bewältigbaren Aufgabe. Das Problem der Jünger wird in der Gegenwart Jesu und in der Gemeinschaft mit Jesus zu einer lösbaren Aufgabe. Petrus leistet nun fast übermenschliches und bringt die 153 Fische an Land.

Und das wichtigste geschieht wortlos zum Schluss. Die Jünger kommen an den Strand und Jesus hat Frühstück gemacht. „Kommt haltet das Mahl“, sagt er. Jesus isst mit den Jüngern und gibt ihnen das, was sie brauchen. Er weiß, dass seine Jünger nach dem Fischen richtig Hunger haben. Jesus versorgt und sorgt sich um seine Jünger. Ein Herr, der in Liebe und aus Liebe für seine Jünger väterlich, fürsorglich sorgt. Sie alle spüren etwas, das unausgesprochen bleibt, weil das Wichtigste jenseits aller Worte geschieht. Was sie erleben, schenkt ihnen die Gewissheit, dass Jesus lebt und sich um sie sorgt ein für alle Mal. Sie erleben mit allen Sinnen, dass es etwas gibt, das größer ist als sie selbst, dass sie eint und ihnen in all ihrer Verschiedenheit Gemeinschaft untereinander und mit Gott selbst schenkt. Sie alle spüren, dass es viel mehr gibt zwischen Himmel und Erde, als ihnen bisher bewusst war. Sie wissen, dass ihr Held in irdischer Gestalt sie bald wieder verlassen wird. Aber ab jetzt sind sie gewiss, dass er auf andere Art stets bei ihnen sein wird. Das Gute hat doch noch gewonnen, nur anders als gedacht.

Und was bedeutet das alles für mich, für uns?

Erkennen wir Jesus, wenn er uns im Alltag begegnet? Rechnen wir, bei dem was wir tun und bei dem wie wir uns in unserem Alltag verhalten mit einer Jesusbegegnung?

Ich weiß nicht, mir geht es da, glaube ich, oft ähnlich wie den Jüngern. Da ist nicht viel Raum für so etwas, wenn man in seinem Alltag steckt. Hier noch schnell einen Anruf, dort noch ein Arzttermin, schnell noch zur Bank und die Behörde verlangt schon wieder neue Unterlagen. Die Sorgen darüber, wie man seine Grundbedürfnisse stillen kann, die Trauer, weil man alleine ist. In solchen Situationen fällt es oft schwer, die Umwelt überhaupt noch wahrzunehmen, weil man  so im eigenen  Alltag gefangen ist. Dennoch tritt Jesus auch in unseren Alltag, sowie er es damals bei den Jüngern gemacht hat – unbemerkt und doch mit seiner ganzen Größe und Macht. Jesus kommt und handelt. Er sitzt nicht still in der Ecke und schaut, wie wir einen Misserfolg einfahren oder gar scheitern. Nein, Jesus greift ein in unsere Not und unsere Bedürfnisse, ob wir auf ihn vorbereitet sind oder nicht.

Jesus ist im Alltag, nur wo?

Das ist schwer zu sagen, das dürfte wohl für jeden etwas anderes sein.

Ich erinnere mich beispielsweise an Gottesdienste, in die ich am Sonntagmorgen gegangen bin, ohne Erwartung. Aber sehr oft ist es mir dann passiert, dass ich in den Gottesdiensten  etwas erfahren habe, dass mich zutiefst angesprochen hat. Ein Lied oder nur ein Wort.

Oder, wenn sich an einem chaotischen und tristen Morgen plötzlich ein Sonnenstrahl durch die Wolken kämpft und mir an meinem Schreibtisch wärmend ins Gesicht strahlt. Das ist ein Moment, in dem ich kurz inne halte, ein Moment, der etwas in mir auslöst.

Es ist vielleicht nur ein Gefühl, eine Ermutigung, innere Freude. Es muss nichts Großes sein, aber für mich ist es dann so, wie wenn mir Jesus damit auf die Schulter tippt und sagt: „Ich bin da und weiß, was Du jetzt brauchst.“ Ich bin da in Deinem Alltag nicht nur im Gottesdienst. Ich bin da in Deinem Alltag, in Deinen täglichen Sorgen und auch dort, wo alles gut läuft und das Leben gelingt.

Jesusbegegnungen in unserem Alltag können ganz klein sein, aber auch so groß, dass wir es nicht mehr fassen können. Jesusbegegnungen verlaufen, wie in unserem Predigttext oft eigenartig. Es gehen plötzlich Türen auf im Leben, die neue Chancen bieten. Das Wunder, neue Arbeit zu haben oder einen Partner zu finden. Es sind nicht immer Netze voller Fische, sondern auch Gespräche mit Menschen, das Wissen, nicht allein zu sein, aufmunternde Worte oder ein Bibelwort, die wir brauchen.

Jesus, der Auferstandene ist auch in unserem Alltag dabei. Das ist genauso einfach und platt wie unglaublich. Dabei nimmt jede und jeder von uns ihn unterschiedlich wahr, erlebt ihn anders, braucht ihn anders, liebt ihn auf eigene Weise oder zweifelt an ihm. Deshalb werden wir alle ein anderes Bild des Auferstandenen haben. Deshalb wird er uns allen auf andere Art und Weise begegnen.

Doch er begegnet uns. Er kommt zu den Jüngern und auch zu uns. Der, der ging ist wieder da, als der Auferstandene, der Christus. Unser dramatischer Actionfilm, er endet nicht mit einem Abschiednehmen, nein, er geht weiter mit einem Ankommen, von einem, der nicht mehr geht. Einer, der bleibt - für immer und ewig. Keine Uhr muss zurückgedreht werden, keine Resignation und Abschiedstrauer. Kein Alleinsein, keine Leere in uns, sondern die Freude, jemanden zu haben, der da ist und sich um uns sorgt. Er ist da und bleibt – Freude, Gemeinschaft, Hilfe und Fürsorge kommen in unser Leben, weil er in unseren Alltag kommt. Der Film, die Geschichte läuft weiter, und zwar mit uns. Gott schreibt das Drehbuch des Lebens weiter, mit jeder und jedem einzelnen von uns.

Fortsetzung folgt.

Amen