Römer 12, Vers 12 - Pastor Christoph Rehbein

Predigt von Pastorin Elisabeth Griemsmann

am 8. November 2020

Predigttext: 1. Thessalonicherbrief, 5. 1- 6

1Was die Zeiträume und Zeitpunkte betrifft, Brüder und Schwestern, habt ihr nicht nötig, dass euch geschrieben wird. 2Denn ihr wisst selbst genau, dass der Tag Gottes wie ein Dieb in der Nacht kommt. 3Wenn sie sagen: »Friede und Sicherheit!«, dann kommt plötzliches Verderben über sie wie die Wehen über die Schwangere, und sie können nicht entrinnen.
4Ihr aber, Schwestern und Brüder, lebt nicht in Finsternis, so dass euch der Tag wie ein Dieb überfällt. 5Denn ihr seid alle Kinder des Lichts und Kinder des Tages. Wir gehören weder der Nacht noch der Finsternis. 6Also lasst uns nicht schlafen wie die anderen, sondern wachen und nüchtern sein. (Aus der „Bibel in gerechter Sprache“)

 

Liebe Gemeinde, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

gestern hätte das Laternenfest in unserer Gemeinde stattgefunden. Das Motto des Fests sollte sein: Licht in der Dunkelheit.  Beim Laternenumzug hätten wir mit den bunten Laternen kleine Lichter durch die Straßen getragen. Die Familien hätten sich gefreut dabei zu sein. Die Anwohner hätten sich gefreut, den Umzug zu beobachten. Wir hätten Laternenlieder gesungen, alte und neue, und am Ende hätten wir auf dem Vorplatz an Feuerschalen gestanden, in Abstand, in das Feuer geschaut. Die Lichter machen es heller und bunter – das hätten wir alle gesehen. Und dass die Freude die Seele und das Gemüt heller macht, hätten wir gespürt. Das Fest wurde leider abgesagt. Jetzt müssen die Familien allein gehen. Aber das dürfen sie auch – dort, wo sie wohnen. Dort können sie es in den Straßen heller machen.

Gestern sind wir im Konfirmandenunterricht auf der Straße der Toleranz unterwegs gewesen. Als die Kirchen gebaut wurden, haben die einzelnen Gemeinden eine besondere Zeit des Lichts erlebt. Es gab den guten Willen der Gemeindeglieder; es gab finanzielle Unterstützungen und die behördliche Genehmigung und ein offenes, gesellschaftliches Klima: 1670 wurde die Ev.-luth. Neustädter-Hof- und Stadtkirche St. Johannis eingeweiht, weil die Schlosskirche für den röm.- kath. Herzog und die kath. Gemeinde genutzt wurde. 1718 wurde die Propsteikirche St. Clemens,  die erste katholische Kirche in Hannover nach der Reformation eingeweiht. Unsere Kirche wurde erst 1898 in Gebrauch genommen, das erste Gebäude der reformierten Kirchengemeinde, das als Kirche deutlich erkennbar war. Und das Mahnmal Synagoge erinnerte uns daran, dass die jüdische Gemeinde damals so sehr gewachsen war, dass sie 1870 die Neue Synagoge Hannover mit 1100 Sitzplätzen einweihen konnte. Dass diesen Zeiten des Lichts, Zeiten der Dunkelheit folgte, wissen wir von den alten Fotos der zerstörten Kirchen vom Oktober 1943. Und das Mahnmal erinnert uns an die Reichskristallnacht von 1938, als die Neue Synagoge angezündet wurde und ausbrannte. Innerhalb eines Monats wurden die Trümmer abgetragen. Jahrelang erinnerte nichts an die Neue Synagoge Hannover. Wenn drei christliche Konfessionen und die jüdische Gemeinde neben einander existieren und sich tolerieren, ist das ein großer Schritt. Wenn sie sich um Gespräche und Verstehen bemühen und die anderen vor religiösen Übergriffen schützen, ist es eine Zeit des Lichts.

Der Apostel schrieb an die christliche Gemeinde in Thessaloniki seinen ersten Brief. Er machte ihnen Mut, als Christen zu leben, zu der Gemeinde zu halten und füreinander da zu sein.  Er schrieb ihnen: Ihr seid alle Kinder des Lichts und Kinder des Tages.

So schön die Nacht auch sein kann, um zu schlafen und um sich auszuruhen. So viel Spaß es auch machen kann, mit Freunden fröhlich bis spät in die Nacht zu feiern. Paulus sah es anders. Er sah sie als die Zeit an, in der man müde und erschöpft ist, in der Sinneseindrücke die Wahrnehmung trüben können. Kinder des Tags sind wach und aufmerksam. Sie können sich orientieren. Sie wissen, worauf sie sich verlassen können. Sie wissen, was ihrem Leben einen Sinn gibt. Sie freuen sich auf Gottes Kommen in die Welt, mit Frieden und Gerechtigkeit. Das bringt jetzt schon Klarheit. Dabei ist ihnen klar, dass sie nicht aus sich selbst heraus leuchten. Sie haben einen Zugang zu einer Lichtquelle. Sie lassen sich anstrahlen und erhalten Orientierung. In der Folge geben sie das Licht weiter – für andere. Wer ist die Lichtquelle? Für uns Christen ist Jesus derjenige, von dem das Licht ausgeht, Gottes Licht für die Menschen in der Völkerwelt, für die Heiden. Im Johannesevangelium sagt Jesus: Ich bin das Licht der Welt.

Wird uns da auch gesagt? Sind wir Kinder des Lichts? Wie kann sich das für uns auswirken? Wir können an Gott glauben, so wie Jesus es gezeigt hat. Wir dürfen darauf hoffen, dass er es gut machen wird. Jeden Tag neu - können wir uns darauf verlassen, dass Gott uns ernst nimmt, dass er für uns da sein will, dass wir uns an ihn wenden dürfen. Jede und jeder für sich. Wenn jemand Angst spürt oder Sorgen hat. Wenn er sich glücklich oder wenn sie sich beschenkt fühlt. Gottvertrauen begleitet uns im Alltag, in der Schule und Zuhause, in der Familie und unter Freunden. Gottvertrauen hilft uns gelassen zu sein und auf Hilfe zu hoffen. Es schenkt uns Gelassenheit. Das soll sich auch in der Krise zeigen, die wir gerade durch die Coronapandemie erleben. Kinder des Lichts sind vorsichtig, halten sich an Regeln. Aber sie vertrauen sich auch Gott an.   

Paulus forderte die Kinder des Lichts und des Tags auf, wach und nüchtern sein. Das klingt sehr ernst und streng. Das klingt so, als könnten Kinder des Lichts nicht tanzen, spielen und feiern. Aber Paulus möchte nur die Gegensätze herausstellen: zwischen müde und wach, zwischen betrunken und nüchtern. Es gibt so vieles in der Welt zu sehen: von gut bis schlecht, von  schützenswert bis vermeidbar, von schrecklich bis schön, von brutal bis mitleidig. Und es gibt vieles zu tun: fair zu handeln, gerecht zu sein, zu helfen, Streit zu schlichten und Frieden zu stiften. Das lässt sich eher sehen, wenn man hellwach ist. Das lässt sich eher tun, wenn man nüchtern und klar im Kopf ist.

Es gibt in der Gemeinde vieles zu tun. Paulus schrieb es damals, es gilt auch für die Gemeinde heute: eine Gemeinde muss sich organisieren, eine Gemeindeleitung muss entscheiden, was zu tun ist: Hilfe für die Armen, Besuche, Grüße und Gebete für Kranke, Unterricht für die Neugierigen und das Fest der Taufe bzw. der Konfirmation. Sie alle sollen sich als Brüder und Schwestern gegenseitig achten und Konflikte klären. Gestärkt fühlen sie sich durch die Feier der Gottesdienste. Und auch wieder auf den richtigen Weg gebracht.

Doch es gibt auch viel zu tun außerhalb der Gemeinde: für die Nachbarschaft oder für den Verein,  für die Obdachlosen oder die Flüchtlinge in unserer Stadt, für die Schwerkranken, die Trost brauchen und für ihre Angehörigen, die so belastet sind. Es ist nicht so, dass jede/r alles tun sollte, aber vieles fällt einem direkt vor die Füße, dann sollte man wach sein und etwas Gutes tun.   

Kinder des Lichts rechnen mit Gottes Kommen in unsere Welt. Für die Gemeinde in Thessalonich lag dieses Kommen nicht weit weg. Doch von Berechnungen über das Kommen dieses Tages   konnte Paulus nur abraten. Gottes Kommen lässt sich nicht berechnen. Sein Tag kommt völlig überraschend. So wie ein Dieb in der Nacht, nicht erwartet wird und plötzlich da ist. Heute ist uns dieser Tag weit fort, aber wir sehen Gottes Kommen in die Welt heute, hier und anders woanders: er kommt, wenn Menschen in seinem Namen oder in seinem Sinne Gutes tun. Wenn die Gerechtigkeit siegt, wenn Menschen für den Frieden eintreten.

Wir können als Kinder des Lichts und des Tages handeln, auch in dieser Coronazeit. Wir dürfen von Gottes Licht wissen, dass er uns liebt. Wir dürfen erkennen, wo er die Dinge zum Guten führt. Und es gibt viele Möglichkeiten, anderen Menschen ein Licht zu bringen. Nicht nur mit Laternen, auch mit freundlichen Worten und ermutigenden Gesten und tatkräftiger Hilfe.

Amen.