Predigt von Pastor Christoph Rehbein
über Johannes 12,20-24
am Sonntag, den 14. März 2021


Liebe Gemeinde!

20 Es befanden sich auch einige Griechen unter denen, die zum Fest nach Jerusalem gekommen waren, um Gott anzubeten.

Als ich zu Ostern 1980 zum ersten Mal in Jerusalem war, wurde ich vorgewarnt. Von einer Tourismusexpertin. „Ostern auf der via dolorosa? Da werden Sie einige Griechen sehen!“

Ich sage Ihnen: Die einzelnen Stationen auf dem Kreuzweg Jesu waren kaum zu erkennen! Denn es waren mehr als einige – es waren viele Griechen da. Vor allem Griechinnen, auch vom nahe gelegenen Zypern. Die suchten Gott auf ihre Weise – so wie damals zur Zeit Jesu das jüdische Volk seine Befreiung feierte: Pessach. Ende der Knechtschaft. Anfang der Freiheit. Jedes Jahr neu. Das größte hebräische Fest. Der Eine Gott, zu dem beten wir. Dem danken wir, dass er Mut zum Exodus macht. Zum Aufbruch in das neue Land. Gottes Reich entgegen. Weiter im Text:

21 Die Griechen gingen zu Philippus, der aus Betsaida in Galiläa stammte, und baten ihn: Herr, wir wollen Jesus sehen!

Der Relativsatz erscheint überflüssig. Doch gerade er schafft Verbindung. Betsaida ist die Heimat einiger Jünger. Eine griechisch geprägte Stadt am See Genezareth. Vom Hörensagen sicher bekannt den Jerusalem Besuchenden. Und sehr menschlich verhalten Sie sich, die Gott dort Suchenden. Statt direkt auf den zuzugehen, von dem sie gehört hatten, er bringe den Menschen Gott nahe, tun Sie einen Zwischenschritt. Suchen einen Vermittler, einen Türöffner. Im Gedränge an diesen Jesus heran zu kommen, das könnte schwer werden. Hören wir weiter:

22 Philippus ging zu Andreas und sagte es ihm. Dann gingen die beiden zu Jesus und berichteten es ihm.

Die Wissenschaft des Neuen Testamentes erklärt an dieser Stelle: Der Evangelist Johannes nimmt möglicherweise schon eine nachösterliche Perspektive ein. Das Evangelium sprengt die Grenzen des Heiligen Landes. Griechen sind die idealtypischen Heiden, die Menschen aus den Völkern. Die tasten sich an den Davidssohn heran, der so zum Menschensohn wird. Es ist genug für alle da von dieser frohen Botschaft: Dass Gott sichtbar wird in diesem besonderen Menschen. Von dem Heilkraft ausgeht in Tat und Wort. Die jüdischen Vermittler des Gottvertrauens tragen beide griechische Namen. Sicher kein Zufall! Und Jünger treten gerne zu zweit auf. Geht uns ja heute in der Gemeinde auch so: Zu zweit ist es besser als allein! Jesus will auch nicht allein bleiben als Weizenkorn. Doch dazu später. Erst einmal sagt Jesus:

23 Die Stunde ist gekommen. Jetzt wird der Menschensohn in seiner Herrlichkeit sichtbar.

Das ist erstaunlich. Herrlichkeit? Wir wissen ja – es geht um das Kreuz. Jesus wird sein Leben verlieren. Dass er es damit neu gewinnen wird, das muss einem ja erst einmal gesagt sein! Die Stunde ist gekommen. Jesus erfüllt, was er als seinen Auftrag sieht. Später, am Kreuz sterbend, wird er sagen: Es ist vollbracht!

Der Immanuel, der Gott mit uns, ist einer für alle. Und er ist so anders als erwartet. Bereit, für Gottes Liebe zu leiden. Das bekommen neben den Jüngern nun auch die aus den Völkern Gekommenen zu sehen. Das Kreuz ist schon errichtet, auf einem Hügel. Golgatha. Für alle, die ihn sehen wollen, wird darin Gottes Herrlichkeit sichtbar. Glanz strahlt von dort ab, auch auf uns. Kaum zu glauben, oder? Zu ertragen nur, weil schon das Fest aufleuchtet, das Passa weiterträgt in alle Welt, Ostern. Sieg über Leiden und Tod. Laetare heißt der heutige Sonntag: Freut euch. Kosename des Sonntags: Das „kleine Osterfest“, mitten in der Passionszeit. Es darf schon einmal gelacht werden. Wir brauchen das in Corona-Zeiten. Der eine liest im Netz seinen täglichen Postillon, der mindestens schmunzeln lässt. Die andere braucht Oliver Welkes Heute-Show dafür. Und ich lese gerade Kurt Marti. Den humorvollen und geistreichen Schweizer so genannten Dichterpfarrer. Der Ende Januar 100 geworden wäre. Hören Sie mal: Jetzt, da alles ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird, erquickt mich Gottes Verborgenheit. Das ist geistreich. Und lachen dürfen Sie jetzt: Da ich Rabenaas nie ein Auto besaß, verfasste ich auch nie eine Autobiographie. Und nun wieder ernst: Der letzte und entscheidende Vers unseres Predigttextes folgt aus Jesu Mund:

24 Amen, amen, das sage ich euch: Das Weizenkorn muss in die Erde fallen und sterben, sonst bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.

„Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt. Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt“. Jürgen Henkys hat in unserer Zeit ein für viele verständliches Passionslied geschrieben. Basierend auf diesem Wort Jesu, das uns allein Johannes überliefert. „Liebe lebt auf, die längst erstorben schien, Liebe wächst wie Weizen und ihr Heim ist grün“. Das nimmt dem Leiden Jesu weder die Radikalität noch die Schwere. Aber es hilft, in Jesu frühem Tod Gottes Sinn zu finden. Noch einmal Kurt Marti, dieses Mal ganz ernst. Warum das Korn in die Erde muss: Erdreich – das einzige Reich, das nicht durch Krieg entstanden ist und ohne imperialistische Unterwerfung auskommt. Auch durch die Geduld, mit der es uns und unsere mörderischen Bosheiten erträgt, ist es mit dem Reich Gottes verwandt.

Und dieses Erdreich, so ergänzt jetzt der Prediger, bringt viel Frucht hervor. Auch wenn mal jemand etwas resigniert gesagt hat: „Jesus predigte vom Reich Gottes - was kam, war die Kirche“.  Immerhin, es gibt sie noch, nach 2000 Jahren. Es gibt uns, auch „in diesen Zeiten“. Wir sind nicht allein – so wie Gott Gemeinschaft sucht auch im Sohn und dem Heiligen Geist. Wir können Frucht bringen. Jesus sagt drei Kapitel weiter: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht“. Da fällt vielen von uns das Heilige Abendmahl ein, das wir so entbehren. Wir werden eine Form finden, wie wir es (auch im noch immer angezeigten Abstand) wieder feiern werden. Zu Karfreitag wird es so weit sein.

Am Ende noch ein drittes Mal Kurt Marti. Mit einem Ostergedicht, das auch Eingang in unser Gesangbuch gefunden hat:

ein Grab greift tiefer als die gräber gruben denn ungeheuer ist der vorsprung tod

am tiefsten greift das grab das selbst den tod begrub denn ungeheuer ist der vorsprung leben

Und der Friede Gottes, der weiter reicht als all unsere Vernunft, der wird unsere Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus.

Amen.