Predigttext: Matthäus 25, Verse 14-30

Liebe Gemeinde, früher waren die Zeiten auch nicht besser, hat-30: Von den anvertrauten Talenten mal jemand gesagt. War es der Humorist Karl Valentin? Anfang der achtziger hatten viele von uns Angst vor einem Atomkrieg zwischen Ostblock und Westmächten. Dann kam vor 36 Jahren das Unglück in Tschernobyl dazu. All das bedrängt uns nun wieder – in den letzten Monaten mit steigender Tendenz.

In einem Buch aus dieser Zeit fand ich neulich eine schöne Postkarte als Lesezeichen, eine Art Wimmelbild. Mit einer Weisheit aus Afrika, die damals viele tröstete: Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, werden das Angesicht der Welt verändern.

Da ist doch nach wie vor etwas dran!

Dass dieser Spruch verwandt ist mit dem Evangelium Jesu Christi, daran lässt unser heutiger Predigttext denken. In älteren Lutherbibeln heißt der  „Das Gleichnis von den anvertrauten Zentnern“. Im Griechischen steht da das Wort Talanton. Das war ursprünglich ein Gewicht von 36 Kilo. Dann wurde eine wertvolle Münzeinheit daraus, entsprechend 6000 Denaren. Wenn ein Denar Tageslohn der Arbeitenden war, sind das fast 20 Jahresgehälter.

Also richtig viel! Ein großes Anvertrauen!

Aber halt! Erst einmal regt sich bestimmt auch bei Ihnen Widerstand gegen dieses Gleichnis. Das so ganz anders daherkommt als Matthäus 20: Wo der Arbeiter, der als Letzter eingestellt wird, gleichen Lohn bekommt wie der Frühaufsteher, der morgens schon zur Weinlese kommt.

Jetzt also hier: Kapitalismus pur statt Sozialismus? Nur wer so richtig mit seinem Pfunde wuchert, kommt in den Himmel? Nur wer das Geld geschickt anlegt, kann den Chef seiner Firma glücklich machen? Und damit sich selbst und das große Ganze?

Es scheint genau so zu sein...

Geh ein in die Freude deines Herrn: Du bist dabei, wenn das Reich Gottes mit einem großen Fest beginnt. Du als Zehn-Zentner-Mann darfst mit dem, der die zwei Talente verdoppelt hat, den Dritten fertig machen.

Dabei hat der es doch gut gemeint. Und letztlich aus Angst das Geld vergraben, um es zu sichern. Für solche Menschen hat Jesus doch sonst immer Verständnis!?

Und dieser Dritte ist ja ein intelligenter Zauderer. Der seinen Chef durchschaut: Du erntest, wo du gar nicht gepflanzt hast!

Und dann folgen auch noch diese letzten beiden Verse: Nur wer hat, dem wird dazu gegeben. Und vom Zähneklappern ist die Rede, in der Finsternis! Der Schluss stammt wohl – das muss ich jetzt erklären - von Matthäus als Autor. In der Bildkunst wird er ja meist von einem Engel begleitet. Er war aber trotzdem wohl der Strengste unter den vier Evangelisten. Er hat seine Gemeinde im Blick, die ihre Identität in scharfer Abgrenzung finden soll. Und so formuliert er, an Jesu Rede angedockt, sein eigenes unhappy end...

Allein, was ist mit Jesus? Der erzählt ein Gleichnis. Das ist etwas anderes als ein Märchen. Wo der Dritte ja fast immer alles richtig macht.

Das Gleichnis hat eine Bildebene. Da holt Jesus die Zuhörenden ab bei dem, was sie kennen: Maß- und Währungseinheiten. Geldgeschäfte.

Doch Jesus will auf anderes hinaus! Die Sachebene ist entscheidend. Sie weist auf die Sache Jesu, die Begeisterte braucht. Jesus macht Menschen Mut, an sich und ihre Lebenskraft zu glauben. So wie Eduard Schweizer, ein großer Ausleger des 20. Jahrhunderts, es sehr treffend in zwei kurzen Sätzen gesagt hat: Gottes Gabe kann nie ein ruhender Besitz sein. Sie muss leben und wirken.

Es geht also um viel mehr als um Geld, um den schnöden Mammon.

Es geht um dein Talent!

Das Wort stammt wie gesagt von der alten griechischen Maßeinheit talanton. Über das lateinische talentum wurde in vielen Sprachen dieses schöne Wort Talent daraus. Für eine besondere Begabung. Und die hat jeder und jeder von uns. Vielleicht nicht im gleichen Maß. Aber niemand kann nichts: Es gibt Hochbegabte und Begabte. Wem auch nur ein Talent anvertraut ist, der oder die hat schon sehr viel – übertragen zwanzig Jahresgehälter, 6000 Dinare.

Es ist also unter uns unglaublich viel Talent auf dem Markt.

Nur: Wissen wir, was wir können? Glauben wir daran? Kommunizieren wir auch so viel wie in diesem Gleichnis gesprochen wird? In Kritik und Ermutigung?

Auch wenn es, als ich 18 war, manchmal ein Schulterklopfen von älteren Verwandten gab mit den Worten „Aus dir wird auch mal was“:

Ich wusste damals noch gar nicht, was genau aus mir genau werden sollte.

Da geschah etwas Entscheidendes bei einem Mitarbeiter-Seminar des CVJM, in dem ich aktiv war. Es ging um die Charismen, die Gnadengaben. Die Gottes Heiliger Geist allen Menschen verleiht. Wir lasen im Römerbrief Kapitel 12: Da gibt es die Gabe des Tröstens, des Leitens, Des Barmherzigkeit Übens, des gerne Gebens, sogar des Ermahnens - und im 1. Korintherbrief kommt noch die Heilkraft dazu.

Alle Gaben sind auch bei uns vorhanden, aber offenbar schwer zu kommunizieren… Wir schrieben uns damals gegenseitig je zwei Zettel mit den Charismen, die wir einander zusprechen konnten.

Und da geschah eine Überraschung. Jemand, von dem ich wusste, dass er mich kritisch sieht, meinte, ich hätte eine Redegabe. Ich sprach ihn hinterher ungläubig darauf an. „Doch, so wie du heute morgen fast frei deine Andacht gehalten hast, da konnte ich sehr gut zuhören“.

Das Ganze wurde für mich eine Weichenstellung für die Berufswahl.

Eine weitere Weiche möchte ich nun noch zum Schluss der Predigt stellen: Ich schaffe mir bald wieder ein Tagebuch an. Und trage jeden Abend ein, wer mich heute für etwas gelobt hat, was ich kann. Ich denke, nicht allein ich vergesse das ja sehr leicht. Und dann schreibe ich noch auf, wen ich mit Rückenwind ermutigt habe: Du schaffst das. Du kannst das: Du hast ein Talent, das leben und wirken will!

Ich sage dem einen: Du hast eine gute Singstimme. Sie trägt unseren Gesang mit. Ich ermutige die andere: Du kannst sehr gut zuhören und merkst dir sogar Einzelheiten. Du wiederum hast einen genauen Blick, wie wir faire Gemeinde bleiben. Und du hast ein kommunikatives Talent. Du bist ein geschickter Handwerker. Du hast ein Händchen für schöne Deko. Und und und: So geschieht das, was Jesus mit dem Gleichnis will: Ermutigung, liebe Gemeinde!

Wir bauen an einer Gemeinde, die insgesamt ein Riesentalent hat, das viele Mächtige zur Zeit missachten: das Talent zum Frieden. Motto für unseren Gemeindefest nächsten Sonntag ist genau das:

Frieden beginnt im Kleinen.

Denn viele kleine Menschen an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, werden das Angesicht der Welt verändern.

Und der Friede Gottes, der weiter reicht als alle menschliche Vernunft, der wird unsere Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus. Amen.