Predigt von Pastor Christoph Rehbein am 6. Februar 2022

über Matthäus 14, Verse 22-33

Liebe Gemeinde,

das ist eine echte Wundergeschichte. Kaum zu glauben, aber wahr. Ich bin froh, dass es mitten in diesem Wunder den Jünger Petrus gibt. In dem kann ich mich gut wiederfinden. Macht einfach mal den Mund auf:

Wenn du es bist, Herr, dann rufe mich. Ich will das auch können, auf dem Wasser laufen!

Und Jesus ruft: Komm her! Und Petrus steigt aus und tatsächlich: Er geht auf dem Wasser. Wenigstens ein Stück. Und dann geht ihm die Puste aus. Oder sagen wir genauer: Der Wind pustet zu stark!

Petrus verliert das Vertrauen in seinen Mut. Auf halber Strecke bleibt sein Projekt stecken. Seine Zuversicht droht zu versinken.

Ich kenne das ganz gut. Da meine ich, eine tolle Idee zu haben für unsere Gemeinde. Rikscha-Fahrten, Fahrradtouren für Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Die aber mal wieder am Maschsee auf ihrer Lieblingsbank sitzen wollen. Und die Enten - nein, nicht füttern, aber ihnen zusehen wollen, wie sie ihre Jungen ausführen. Eine tolle Frühlingsidee, dachte ich. Es werden sich ein paar Leute melden für den Rikscha-Führerschein am übernächsten Freitag. Und dann kommt Sturm auf. Ich höre, andere in unserer Nachbarschaft haben diese Idee schon längst umgesetzt. Und wer hat überhaupt noch Zeit übrig für so ein Angebot als Fahrer:in? Alle Ehrenamtlichen sind doch voll ausgelastet... Kann aus dieser Idee wirklich etwas werden? Braucht es mehr Geduld?

Ich stelle mir vor, Sie kennen das auch ganz gut. Auf halber Strecke stecken bleiben. Tröstlicherweise gibt es kaum Menschen, denen immer alles gelingt.

Wie gut, dass die Bibelgeschichte an dieser Stelle weitergeht. Jesus ist da. Und hilft dem Bedürftigen mit Tat und Wort. In dieser Reihenfolge. Am einzelnen Menschen, an Petrus, handelt er genauso wie vorher an der furchtsamen Gemeinschaft der Jünger. Die ihn für ein Gespenst hielten. Und denen er die Angst nimmt. Mit dem Satz, der sich durch die ganze Heilige Schrift sieht wie ein roter Faden: Fürchtet euch nicht! Dem Petrus bietet er seine Hand. Ohne Zögern. Sogleich streckte er seine Hand aus, als der Zweifelnde um Hilfe ruft.

Unter anderem die Psalmen sind es, die Gottes starke Hand beschreiben und bejubeln. Und wenn es mir noch so schlecht geht, heißt es im Psalm 73 (23): Dennoch! Dennoch bleibe ich stets bei dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand…

Fußballfans denken bei der Hand Gottes sofort an den begnadeten Diego Maradona. Der kürzlich leider schon mit 60 verstarb. Der hatte mal ein entscheidendes Tor erzielt, bei dem sich sofort alle fragten: Mit welchem Körperteil hat er den Ball eigentlich über die Linie bugsiert? Nach dem Spiel erklärte der Star das ganz ungerührt: Mit der Hand Gottes, die mit im Spiel war. Man mag darüber schmunzeln, über so viel Chuzpe. Eins daran ist zeitlos wahr: Gottes Hand kann mehr als du und ich. Er streckt sie mir entgegen, wenn ich nicht mehr kann: Und nähme ich Flügel der Morgenröte und flöge ans äußerste Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. (Psalm 139,9)

Petrus kann nicht mehr fliegen, auch wenn die Morgenröte am See schon herauf dämmert. Er kann nur noch absinken. Und da streckt ihm der Sohn Gottes seine Hand entgegen. Und sagt ohne jeden Vorwurf die Wahrheit. Er kennt die verzagte Seele dessen, der doch ein Menschenfischer sein will: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?

Oder: Du hast zu wenig Vertrauen – warum hast du gezweifelt?

So sagt es die neue Übersetzung der Basis-Bibel.

Die erklärt dann noch in einer ihrer Anmerkungen am Rand des Textes sehr schön, was dieser so genannte Hoheitstitel Sohn Gottes besagen soll. Der Jesu Freunde am Ende niederknien lässt mit den Worten: Du bist wirklich der Sohn Gottes!

Die Erklärung lautet: „Titel, der das besondere Vertrauensverhältnis eines Menschen zu Gott zum Ausdruck bringt – im NT ausschließlich für Jesus verwendet.“

Ja eben, ausschließlich für Jesus! So bleibt auch bei den heute Hörenden eine Ungläubigkeit, oder? Unser Kleinglauben, unsere Portion Vertrauen  ist ja verglichen mit Petrus auch nicht größer: Wie soll das gehen, auf dem See wandeln, dazu noch nachts?

Und die Bibel hat doch recht… hieß ein Bestseller der sechziger Jahre, den viele Ältere noch im Bücherschrank haben. Da werden Wunder erklärt, zum Beispiel der Durchzug Israels durchs Rote Meer. Es habe auch dort und auch damals so etwas wie Ebbe und Flut gegeben. Ebbe für Israel, Flut für den Pharao. Okay!

Allein, das Wasser des See Genezareth ist schon am Ufer tief, ohne seichte Stellen. Über die man gleichsam wie Wattwandernde irgendwie laufen könnte...

Hebelt Jesus nun physikalische Gesetze aus?

Die Jünger erschraken und riefen: Es ist ein Gespenst!

Wörtlich übersetzt: eine Erscheinung.

Hier erklärt uns nun die neutestamentliche Bibelwissenschaft: Das ist Gemeindebildung. Ein Text, der später entstand, als sich schon erste - Jesus nachfolgende - Gemeinden gebildet haben. Ein Text, der aus der Erinnerung an die Auferstehung Jesu andockt. Auch da erscheint Jesus den Frauen am Ostermorgen und den Emmausjüngern Jüngern auf ihrem Weg.

Gemeindebildung?

Liebe Gemeinde, und wenn schon!

Dann ist genau das der Schlüssel, der die Kraft des Textes in uns einströmen lässt. Wir sind ja auch Gemeinde.

Es ist einfach eine tolle Geschichte, deren Wahrheit sich kaum rational verstehen lässt. Welch großartige Symbolik: Jesus kommt in der vierten Nachtwache. Das ist nach römischer Zählung zwischen 3 und 6 Uhr. Wenn es ganz allmählich dämmert.

Bei den Perlen des Glaubens, die uns durch den Konfirmandenunterricht führen, ist es so: Da kommt nach der schwarzen Perle der Angst, des Todes, der Nacht, als letzte, bevor der Kreis sich bei Gott schließt, die weiße Perle der Auferstehung. Dazwischen allerdings befindet sich noch eine Perle der Stille.

Und das führt mich zurück zum oft übersehenen Anfang der Geschichte. Die Jesu Einmaligkeit als Sohn Gottes uns zugänglich macht. Uns alle zu Kindern  Gottes werden lässt. Am Anfang unserer Geschichte schickt Jesus die Freunde schon mal vor mit ihrem Fischerboot. Und das Volk, das ihm zugehört hat, das entlässt er, gewiss nicht ohne einen Segen.

Sehr sorgsam wird das berichtet im zweiten Vers: Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er auf einen Berg, um für sich zu sein.

Wie schön das klingt in der Bibel: Für sich sein! Das braucht ab und an jede und jeder von uns, liebe Gemeinde!

Für sich zu sein, um zu beten: Und am Abend war er dort allein.

Allein, aber nicht einsam. Denn er hatte offenbar viel mit Gott zu besprechen, vom Abend bis zur vierten Nachtwache. Und der hört ihm zu. Und verleiht ihm Kraft. Und verleiht dir und mir Kraft, wenn wir zu ihm beten, damit wir nicht auf halben Wege stecken bleiben.

 

Und der Friede Gottes, der weiter reicht als alle menschliche Vernunft, der wird unsere Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus. Amen.