Predigt von Pastor Christoph Rehbein
über Jona 1-2
am Sonntag, den 6. Juni 2021

Liebe Gemeinde,

als Predigttext wird uns heute mitgegeben die erste Hälfte des Jonabuches. Kapitel 1 und 2. Das Gebet im Fischbauch (2,2-10) haben wir eben gehört.

Die Vorgeschichte dazu ist recht lang, aber spannend.

Ich teile sie in drei Teile.

1  Jona auf der Flucht. Die Verse 1-5.

Er hatte sich hingelegt und war eingeschlafen. Der Prophet erinnert mich an eine traurige Studentin, mit der ich am Anfang der Corona-Zeit sprach, so vor einem Jahr. Es gab gerade wieder die erste Friday-for-Future-Aktion. Die war aber schlecht besucht. „Ich ziehe mich jetzt ins Private zurück“, meinte sie. Für sich habe sie schon die ganze Zeit das Gefühl, das bringe nichts. Ihr Lebensgefühl brachte sie auf diesen Punkt: Was kann ich als einzelne schon ausrichten gegen die große Klimakatastrophe?

So ähnlich mag damals auch Jona empfunden haben. Was für ein Auftrag soll das sein, der da an seine Ohren dringt? Predigen in Niniwe? Vielen, vielen Menschen in einer unbekannten Großstadt ins Gewissen reden? Die dazu noch weit im Osten liegt, am Tigris, im heutigen Irak? Nein, diesen Job lehne ich ab! Mehrere Nummern zu groß für mich...

Vom Gott, der Lasten auf uns legt – von dem singen wir gern am Ende des Gottesdienstes. Mit den Worten des 68. Psalms. Jona flieht vor ihm, genau in die andere Richtung. Niniwe? Das klingt schon so wie: nie – niemals! Tarschisch heißt das Zauberwort. Galt damals als goldener Westen, so eine Art Kalifornien des Mittelmeers. Einmal um Gibraltar herum an die spanische Atlantikküste, da liegt dieses Paradies. An der Costa de la luz, am Strand des Lichts. Da will Jona hin, Gott aus den Augen kommen. Was aber kommt, ist gleich am Anfang der Reise auf dem Mittelmeer ein Sturm. Die Matrosen schaffen Freibord – so hat mir das ein Fachmann aus der Gemeinde erklärt: Alles, was entbehrlich ist, muss über die Reling, damit besser manövriert werden kann im Sturm. Das ist klug. Aber auch Jona ist clever. Er geht runter in den Frachtraum. Da wird er weniger durcheinander geschüttelt. Da liegt das Schiff noch am ruhigsten.

Er hatte sich hingelegt und war eingeschlafen.

 Ich lese weiter im Text. Und gebe dem Zweiten Teil die Überschrift:

2  Jona wird erwachsen.

Also, ich finde, auch damals schon haben Menschen aus anderen Religionen Format. Angefangen beim Kapitän. Er hätte Jona, die Schlafmütze, ja gleich über Bord werfen lassen können von seinen Matrosen. Statt seine Macht auszuspielen legt er eine Art „konstruktive Ohnmacht“ an den Tag:

Auf! Bete zu deinem Gott! Vielleicht ist er der Gott, der uns retten kann.

Das nennt man religiöse Offenheit, liebe Gemeinde. Und die Matrosen lassen das Los entscheiden. Das trifft natürlich Jona. Doch sie haben Ehrfurcht vor jedem Menschenleben. Darum löchern Sie ihn erst einmal mit Fragen. Immerhin hat er ihnen ja seine Fluchtgeschichte erzählt. Dass er eigentlich in die andere Himmelsrichtung gehen sollte…

Es gibt einen schönen Midrasch, eine alte jüdische Auslegung zu dieser Geschichte. Es geht dabei um die Skrupel, die die Matrosen haben, als sie am Ende mehr Freibord schaffen müssen. Hören Sie, was Rabbi Simon sagte:

Sie senkten ihn bis zu seinem Kniegelenken hinein, und das Meer stand still von seinem Toben. Sie zogen ihn zu sich, da stürmte es weiter. Sie senkten ihn bis zu seinem Hals hinein, und das Meer stand still von seinem Toben. Und sie hoben ihn wieder zu sich, und das Meer stürmte weiter über ihnen. Und sie warfen ihn ganz hinnein, und sofort stand das Meer still von seinem Toben. Daneben stelle ich noch ein Zitat aus dem 20. Jahrhundert. Von Marie Curie, die vor über 100 Jahren Professorin in Paris wurde, für Physik:

„Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen.“

Ich habe das am Donnerstag auf dem Bildschirm einer Bahn entdeckt. Und ich denke: Genau! Das ist es! Das erkennt Jona, als er plötzlich wieder sprechen kann, alles andere als schläfrig:

Ich bin ein Hebräer. Das ist meine Identität! Ich verehre den HERRN, den Gott des Himmels. Er hat das Meer und das Festland geschaffen.

Weglaufen vor ihm, das musste misslingen. Da greift ER ein. Alle lernen ihn jetzt kennen, diesen einen Gott, der die Welt in ihren Angeln hält. Und damit das Leben jedes einzelnen. Jedes Schiffes, das auf dem Weg ist.

Jona fürchtet das Meer nicht mehr. Es gehört dem Gott, der es schuf. Dem Gott, der Lasten auf uns legt, doch uns mit unseren Lasten trägt. Es folgt nun der letzte Teil. Kein Happy End des Jonabuches, wie wir wissen. Aber ein Neubeginn.

3  Jona findet zu Gott zurück – so heißt hier die Überschrift.

Der Herr aber schickte einen großen Fisch, der Jona verschlang. Und Jona war drei Tage und drei Nächte lang im Bauch des Fisches.

Wird eine bis hierhin realistische Geschichte nun zu einem Märchen? Sigmund Freud findet heraus, wie wichtig Träume sind. Von Religion hält er nichts. Sein Schüler Carl Gustav Jung starb genau heute vor 60 Jahren. Anders als sein Lehrer hat er eine Antenne für die Kraft des Glaubens. Mit Jona hat Jung sich viel beschäftigt. Der Bauch des Fisches ist für ihn ein Symbol mit zwei Möglichkeiten. Zum einen der Bauch der Hölle, in dem das Leben zu Grunde geht. So sieht man es auf vielen Jona-Bildern des Mittelalters. Ohne Haare kommt er aus dem Schlund des Fisches wieder heraus. Die sind versengt, verbrannt.

Allein, er kommt heraus! Er konnte beten: Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade. Zu denen will ich nicht länger dazugehören. So lautet seine Erkenntnis. Er fürchtet die Zukunft nicht länger. Der Bauch der Hölle wird für ihn – frei nach C G Jung – der Mutterschoß, aus dem neues Leben hervorgeht…

Kapitel 2, Vers 11, der letzte unseres heutigen Predigttextes:

Da befahl der HERR dem Fisch, Jona an Land zu bringen. Dort spuckte der Fisch ihn aus.

Liebe Gemeinde, das Leben geht weiter!

Und Gottes Friede, der weiter reicht als alle menschliche Vernunft, der wird unsere Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus.

Amen.