Predigt von Pastor Christoph Rehbein am 1.Advent (28. November 2021)
über Jeremia 23, Verse 5-8

Liebe Gemeinde,

das sind noch selten gehörte adventliche Worte, die uns Konfirmand Karl gerade eben vorgelesen hat. Der Klassiker, den viele im Ohr haben, ist Jesaja 9: Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht… Ein Sohn ist uns gegeben, der heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.

Ich finde, es tut gut, dass uns die neue Predigttext-Ordnung der EKD einmal ganz andere Texte aus dem ersten Teil der Bibel hören lässt.

Zum 1. Advent also Jesajas Prophetenkollege aus dem 6. Jahrhundert v. Chr.: Jeremia. Der sich mit den vielen falschen Propheten auseinandersetzen muss. Die sagen „Friede, Friede – und ist doch kein Friede...“

Ein Prophet, dessen Gott mit seinem Volk ins Gericht gegangen ist. Der es in andere Länder wie das große Babylonien verstreut und so beinahe heimatlos gemacht hat. Der Israel verstoßen hat – so lautet das harte Wort in unserem Predigttext. Doch der eine Gott lässt sein Volk nicht hängen: Sein Prophet Jeremia lässt - neudeutsch gesagt - ein Update laut werden: So wahr der Herr lebt, der die Israeliten aus Ägypten Land geführt hat? Das war einmal - der Exodus wird jetzt aktualisiert, in die Gegenwart geführt: Es wird die Zeit kommen, in der man sagen wird: So wahr der Herr lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel herbeigeführt und hergebracht hat aus allen Ländern, wohin er sie verstoßen hat.

So spricht ein Prophet auf der Höhe seiner Zeit. Der weiß, dass jetzt wieder verlässliche Hoffnung gepredigt werden muss.

Das stand gestern auch bei uns im Konfirmandenunterricht im Hintergrund: Die Zeit, in der wir gerade leben. Im Jahr eins nach dem Einbruch eines bösen Virus in unser bis dahin sicheres Wohnen. Eine Gruppe hat mit meiner Frau Worte für das Fürbittengebet gesucht. Und die anderen haben mit mir über den Worten unseres Predigttextes gebrütet. Meine Frage war: Welche sprechen euch an von Jeremias Worten?

Es kommt die Zeit, gleich am Anfang bleibe ich hängen, meinte einer: Das klingt irgendwie poetisch. Da wird sich was ändern, ergänzt ein anderer, wenn Gott dem David einen gerechten Spross erwecken wird. Dann wird endlich wieder ein König kommen, ein Herrscher, der sich an Gottes Wort orientiert. Fast alle von euch haben mit großer Sicherheit den Finger auf die Worte gelegt, die in einigen Bibeln dick gedruckt sind. Die alttestamentliche Theologie spricht hier von der „Messiasverheißung“. Auf Hebräisch besteht die nur aus zwei Worten: Adonai Zidkenu. Dies wird - auf Deutsch an einer Hand abzuzählen - sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: Der Herr ist unsere Gerechtigkeit.

Das hört sich nach eurer Meinung positiv an. Weil wir Menschen uns ja so schwer damit tun, Gerechtigkeit zu verwirklichen. Wie genau man Recht spricht, das ist ja oft umstritten. Dann gibt es Rechtsstreit. Wie wir sehen an den zermürbenden Diskussionen, die unser Land seit fast zwei Jahren beschallen. Was ist Ländersache, wo braucht es Bundesgesetze? Wie weit geht das Recht auf individuelle Freiheit, den Pieks in den Arm zu verweigern? Die Zahlen steigen wieder - wie soll in den Krankenhäusern Gerechtigkeit praktiziert werden? Sind die dringenden Krebsoperationen hier im Zweifel wichtiger als die Behandlung von Ungeimpften aus anderen Bundesländern? Wer soll das entscheiden? Was können wir noch beitragen, diesen neuen Omikron-Spuk im Keim zu ersticken?

„O Herr, schmeiß bitte noch mehr Hirn vom Himmel, bitte besonders auf unser Land!“ Portugal, das so genannte Armenhaus Europas, macht uns mit seinen bald 90 % Impfquote etwas vor. Ganz zu schweigen vom modernen Israel, dass ausnahmsweise mal eine gute Presse hat.

Was hörten wir noch im frühen Herbst aus manchem Politikermund? „Wir hoffen begründet auf ein schöneres Weihnachten als das letzte!“

Nun droht eine ganz andere Bescherung…

Doch ihr Konfis meintet gestern: Eigentlich ist es schön, ja tut es gut, Positives aus der Bibel zu hören in dieser Zeit. Es kommt eine Zeit, in der Gott für Gerechtigkeit sorgen wird. Und diese Hoffnung, sage ich euch, die ist wirklich gut begründet. Nämlich in der Geschichte des ersten Gottesvolkes Israel, das genau weiß: Auf sieben magere folgen auch wieder sieben fette Jahre. Zerstörte Tempel und Synagogen können wieder aufgebaut werden. Wir sangen gestern die wunderbare Ohrwurm-Melodie von Joseph Jacobsen mit dem Text:

Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht, es hat Hoffnung und Zukunft gebracht, es gibt Trost, es gibt halt in Bedrängnis, Not und Ängsten, ist wie ein Stern in der Dunkelheit.

Jacobsen, der jüdische Komponist, konnte noch gerade rechtzeitig vor dem Holocaust im Jahr 1939 nach London auswandern. Er starb nach wenigen Jahren, doch seine Melodie ist unsterblich. Wir haben sie auch am letzten, am Toten-Sonntag, hier gesungen.

Ich möchte aber vorher noch eine Spur aufnehmen aus unserem Text, die zwei Konfirmandinnen gestern gelegt haben. Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden, das fiel der einen auf. Dieses schöne Wort helfen stärkt ihre Hilfsbereitschaft, wenn sie in der Schule auch mal jemand spicken, also abgucken lässt. Und sicher wohnen, dahin sei es noch ein weiter Weg, meinte eine andere von euch. So wie es von Advent zu Weihnachten ja auch ein längerer Weg sei.

So kamen wir ganz von selbst auf das Thema Adventskalender, die mit Geduld Tür für Tür geöffnet werden. Gerade auch in diesem zweiten Corona Jahr ist uns das wichtig. Trotz alledem und gerade jetzt freuen wir uns auf die Zeit, in der die Lichter an den Bäumen und in den Fenstern die Dunkelheit hell machen.

Und was ist nun mit dem Messias?

Jesus hat in seiner Bergpredigt Gottes Aufgabe mit uns geteilt: Selig sind, die hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, sie sollen satt werden!

Es gibt also noch viel zu tun, bis der Messias kommt. Oder wiederkommt. Im Judentum gibt es ein großartiges Prinzip. Es wurde entwickelt, weil der Messias so lange auf sich warten lässt. Es entspricht dem, was Jesus in der Bergpredigt sagt. Es heißt Tikkun olam. Man könnte so übersetzen: Aktives Mitgestalten einer besseren Erde. Mitbauen an einer gerechteren Welt. Selig, die Frieden stiften, sie werden Gottes Kinder heißen.

Dem kommenden Messias sozusagen schon entgegenarbeiten. Bis Gott seine Gerechtigkeit vollendet. Eine ganz schön schwere Aufgabe, oder?

So wahr der Herr lebt, diese Worte haben mich aus unserem Text begleitet beim Schreiben der Predigt: So wahr der Herr lebt, der unsere Gerechtigkeit ist. Dieser Beistand hilft, an der Aufgabe weiterzuarbeiten und IHM zu dienen.

Denn sein Friede, der weiter reicht als unsere menschliche Vernunft, der wird unsere Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus. Amen.

Und nun lasst uns das Lied von Joseph Jacobsen singen: Nummer 591 im Gesangbuch!