Liebe Gemeinde,

da saß ich nun gestern Morgen am Schreibtisch. Mit meinen vielen Gedanken zu diesem kräftigen Bibeltext. Allein, es fehlte die Idee für den Start. Irgendetwas mit Jesus muss es sein.
Doch da dringen andere Gedanken in mein Hirn: Ob es wohl eine wichtige Nachricht gab in der Nacht? Aber wo ist das Handy? Das blöde kleine Ding, das regelmäßig abtaucht.
Die Suche beginnt. Vergeblich. Dann der übliche Anruf mit dem Haustelefon. Ich atme auf: Die Signaltöne sind im Schlafzimmer zu hören. Aber mit seltsamen Sound. Holzresonanz. Zwischen die beiden Lattenroste unseres Ehebettes ist das Teil gerutscht...
Darf das jetzt der Predigteinstieg werden? Ohne dass ich gegen das dritte Gebot verstoßen: Du sollst Gottes Namen nicht missbrauchen?
Ja, der Vergleich Jesu mit dem Handy hinkt an vielen Stellen. Doch in puncto Abhängigkeit stimmt er. Fast alle neutestamentlichen Bibeltexte fallen zusammen wie ein Kartenhaus, wenn Jesus fehlt. Besonders heute steht und fällt alles mit ihm.

Das will ich an drei Beispielen zeigen:

Jesus bewegt Menschen.
Jesus sagt, was zählt.
Jesus stiftet Kommunikation.

Fangen wir vorne an, mit dem ersten Vers.

Jesus sieht einen Mann der Matthäus hieß, am Zoll sitzen. Und er sagt zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm.

Ist das nicht verrückt? Zwei Worte verändern ein ganzes Leben!
Steht noch etwas zwischen den Zeilen?
Das bleibt unserer Fantasie überlassen.
Und dem, was wir über damalige Zollbeamte wissen. Sie wurden in Palästina von der Besatzungsmacht eingestellt und auch bezahlt.
Standen für ihre jüdischen Mitmenschen im Dienst ihrer Feinde, der Römer. Wurden in aller Regel geldgierig. Weil sie die Freiheit hatten, die Zollgebühren selbst festzusetzen.
Und so richtig reich wurden, wie wir von Zachäus wissen.
Dem kleinen Mann in der Grenzstadt Jericho, der auf einen Baum kletterte, um Jesus zu sehen. Bei dem Jesus dann zum Essen vorbeikommt. Der daraufhin überraschend viel Geld an Arme verteilen will.
Vielleicht war das bei Matthäus ja auch so.
Jesus strahlt eine Kraft aus, die Menschen bewegt.
Das viele Geld hat Matthäus einsam gemacht. Jetzt findet er Gemeinschaft.

2) Jesus sagt, was zählt.

Er bringt es auf den Punkt. In den heiligen Schriften Israels steht viel drin. Auch die Geschichten, wie Gottes Volk seine Kriege nur überlebt, weil es am Glauben festhält. Wie dann seine Könige gegen die Gebote verstoßen. Und die Juden das Exil als Strafe empfinden. Gott kann zornig werden.

Jesus aber nimmt den roten Faden auf, der sich durch die ganze Bibel zieht. Das ist Gottes Liebe. Barmherzig und gnädig ist er, geduldig und von großer Güte. Der Vers aus dem Propheten Hosea (6,6) ist der theologische Schlüssel zu unserem heutigen Predigttext. Gott spricht: Barmherzigkeit will ich und keine Opfer. Die Zeit der Tieropfer ist vorbei. Für uns aktualisiert können wir ein Gebot für den Schulhof daraus machen: Du sollst niemandem dieses Schimpfwort an den Kopf werfen: Du Opfer! Weichei, Grüblerin, Außenseiter – in Gottes Welt, so wie Jesus sie sieht, gehören die alle dazu! Ein anderer Prophet, Micha, der bringt einen Satz (6,8), der Jesus auch aus dem Herzen spricht:

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist: Gottes Wort halten, Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. In der Mitte steht die Liebe.

Und was ist Barmherzigkeit anderes als tätige Liebe! Die wir üben sollen. Weil in den meisten von uns jede Menge Zöllner und Sünder steckt. Wir sind Menschen, die sich manchmal nur dann besonders lebendig fühlen, wenn sie andere ausgrenzen.
Dagegen lädt Jesus zum Essen ein! Auch die mit dem Parfüm der Landstraße, auch die ohne Mindestlohn. Die letztlich genau wie der reiche wie Matthäus auf der Suche sind. Nach dem tiefen, dem echten Sinn des Lebens, auf der Suche nach Barmherzigkeit und Liebe.

3) Jesus stiftet Kommunikation.

Um seinen Tisch herum kommen die zusammen, die sonst selten direkt miteinander reden. Auch die Pharisäer werden integriert. Sie stellen ja eine offene Frage an Jesu Jünger: Warum?
Warum-Fragen sind gut jüdisch immer erlaubt.
Warum macht Jesus das?
Mit Leuten zusammen essen, die eigentlich keiner will?
Ihr Trottel, es könnte euren Horizont doch erweitern!
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (F. Picabia)
Wenn ihr immer nur in eurer Blase bleibt, entgehen euch die interessantesten Gesprächspartner unter Gottes Regenbogen.
Was Gottes Gebote anbetrifft, leben die Pharisäer schon sehr gesund.
Doch Jesus ist für die Kranken gekommen. Die immer wieder scheitern.
Die nach Heilung lechzen an Leib und Seele.

Hört an dieser Stelle ein Gedicht von Kurt Marti:

jesus

mit einer schar von freunden (freundinnen auch)
durch galiläas dörfer und städte ziehend
hat er kranke geheilt und geschichten erzählt
von der weltleidenschaft des ewigen gottes
privilegien der klasse der bildung galten ihm nichts
zu seinem umgang zählten tagelöhner und zöllner
wo mangel sich zeigte an nahrung oder getränk
teilte er fische brot und wein aus für viele…
und also erzählen wir weiter von ihm
die geschichten seiner rebellischen liebe
die uns auferwecken vom täglichen tod –
und vor uns bleibt: was möglich wäre noch

Liebe Gemeinde, wenn Jesus selbst morgen um 11 in unser Gemeindehaus käme, dann würde er sich dazu gesellen.
Zu den weit über 100 Mitmenschen, die jeden Tag zu unserer Ökumenischen Essenausgabe kommen.
Und wenn wir jetzt gleich - am Sonntag - das Heilige Abendmahl feiern, dann stellen wir uns vor: Er ist auch mitten unter uns.
Der, der Menschen bewegt.
Der sagt, was zählt.
Der Kommunikation stiftet.
Viel direkter als ein Handy.
Nicht allein über Worte.
Vielmehr mit allen Sinnen.
Mit Menschen aus Fleisch und Blut.
Barmherzigkeit will Gott und keine Opfer.

Die Kranken brauchen den Arzt.
Wir Sünder werden von ihm gerufen.
Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist: Gottes Wort halten, Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.

Und der Friede Gottes, der weiter reicht als alle menschliche Vernunft, der wird unsere Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus.

Amen.


Bild von Th G auf Pixabay