Predigt über Psalm 23
von Pastor Christoph Rehbein
am 31. Januar 2021

Jesus Christus - derselbe gestern, heute und in Ewigkeit. Amen. Liebe Gemeinde, in unserem Gesangbuch folgen auf die Weihnachtslieder die zum neuen Jahr. Eines der besten davon fehlte bislang in unseren Gottesdiensten 2021. Heute ist so gerade eben noch Januar. Darum lese ich jetzt die schönste Strophe von Lied 64. Quasi auf den letzten Drücker. Ein Gebet von Jochen Klepper: Der du allein der Ewge heißt und Anfang, Ziel und Mitte weißt im Fluge unserer Zeiten, bleib du uns gnädig zugewandt und führe uns an Deiner Hand, damit wir sicher schreiten.

Das ist ein Gebet, liebe Gemeinde, an dem kann ich mich in diesen unsicheren Lockdown-Zeiten festhalten.

Genauso geht es mir mit Psalm 23. Der ist mir im Dezember ganz neu begegnet. Ich besuchte eine Dame im Altenheim zum 95. Geburtstag. Natürlich nach telefonischer Anmeldung und Fiebertest an der Pforte. Bewaffnet mit einer neuen Maske und der Heiligen Schrift. Es wird ein ganz bewegender Besuch. In einer knappen Stunde vertraut mir die Frau ihre Lebensgeschichte an. Ihr Vater verstarb am zweiten Weltkrieg, als sie 15 war, ihre Mutter war todtraurig für den Rest ihres Lebens. Da waren aber auch noch jüngere Geschwister zu versorgen. Das wird dann ihr Job. Sie wundere sich, dass sie trotz der schweren Lasten damals so alt geworden sei. Geschenke fielen bei ihrer Konfirmation mitten im Krieg aus. Aber der Bibelspruch, mit dem sie eingesegnet wurde, der sei ihr fest ins Herz gewachsen:

Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn du, Gott, bist bei mir, dein Stecken und Stab, die trösten mich.

Ihr kommen ein paar Tränen, als sie diesen Vers aufsagt. Und dann gibt sie mir noch einen Segen mit auf den Weg: Nicht vergessen, Herr Pastor, auch Corona geht vorbei. Und Gott bleibt da, das tröstet! Gott weiß Anfang, Ziel und Mitte im Fluge unserer Zeiten. So dichtet Jochen Klepper im Jahr 1938.

Und das ist die klare Struktur des 23. Psalms, an dem wir uns festhalten können: Seine Mitte ist genau dieser Vers, der mir aufgesagt wird. Zuerst spricht die betende Person über Gott: Er ist mein Hirte. Er führt mich auf rechter Straße. Und jetzt spricht er diesen Hirten direkt an: Du bist bei mir! Kein anderer der 150 Psalmen hat so eine tiefe Mitte. Und meisterhaft sind an Davids poetischen Gebet auch der Anfang und das Ziel. Das haben unsere Konfirmanden genau gespürt. Letzten Sonnabend sprachen wir an unseren Bildschirmen darüber, welcher Vers in Coronazeiten besonders gut tröstet. Einige meinten: Gleich der erste! Denn ein Hirte wie Gott, der sei ja ständig bei seinen Schafen. Anders als ein Fußballtrainer, von dem ein Konfirmand erzählt. Zu dem habe er zuerst Vertrauen gehabt, der habe ihn oft gelobt, und dann habe er ihn plötzlich fallen gelassen. Wegen einer kleinen Krise. Da ist Gott tatsächlich anders! Dieser Hirte hat einen Wanderstock, der ihn und seine Herde begleitet. Und einen Stecken, eine Art Waffe, mit der er Raubtiere von seinen Schafen fernhalten kann.

„Mir hat nichts gemangelt in diesem letzten Jahr“, sagt eine Konfirmandin. „Ich habe ja meine Familie, das ist mir am allerwichtigsten“. Der zweite Favoritenvers bei den Konfis war das Ziel, das Ende des Psalms: Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar. Klar, sagte einer aus der Gruppe, mit Gottes Haus, mit Kirchenbesuch ist es gerade schwierig. Aber das Haus, in dem wir wohnen, als Familie, das ist wie ein großer Schutzraum. Das geht mir genauso: Ich bin mir relativ sicher, dass die Viren da weg bleiben. Da fühle ich mich gerade am wohlsten. Da bin ich geborgen. Zu Hause eben.

Wisst ihr, ich frage mich immer, was genau das Haus des Herrn eigentlich ist. Den Tempel in Jerusalem, den hat ja erst Davids Sohn Salomo errichtet. Gut – vielleicht ist der Psalm später entstanden und man hat ihn dann den großen König David in den Mund gelegt. Nach dem Motto: Der schönste Psalm muss einfach von unserem größten König stammen. Wenn dem so ist, dass der Tempel schon steht, dann wird im letzten Vers das Tempel-Asyl beschrieben. Das Recht einer Geflüchteten auf einen Ort, wo sie vor Verfolgung sicher ist. Das gibt es bis heute in Grenzfällen auch als Kirchenasyl.

Es kann aber auch gut sein, dass das Haus ein Bild ist. Das beste Symbol für die Geborgenheit, die jeder Mensch bei Gott findet. In der Lesung haben wir von Jakob gehört. Dem Gott im Traum begegnet mit den Engeln, die den Himmel über ihm öffnen. In der freien Natur, draußen, nachts. Am frühen Morgen macht er sein Dankgebet für Gottes Schutz konkret. Sein Kopfkissen aus Stein richtet er als Denkmal auf: Auch hier ist das Haus Gottes! Ich bin auch draußen beschützt. Darum heißt der Ort auf dem Berg Bet El, Haus Gottes. Als das jüdische Volk später, kurz nach Jesu Zeit, in alle Welt ausgewandert ist, da nimmt es etwas mit. Der Dichter Heinrich Heine hat es später das portable Vaterland genannt. Eine Heimat, die du mitnehmen kannst. In diesem Fall die Tora, die Heilige Schrift. Die unter anderem das Gebot enthält, den Sabbat zu feiern - bis heute das verbindende Symbol des Gottesvolkes.

Aber noch mal zurück zu Jakob. Ich kenne ein modernes Gemälde von Jakob am Morgen nach dem Traum von der Himmelsleiter. Da hat er einen Heiligenschein. Und das Bild trägt den Titel: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Die Diktat-Ohren meines Computers kennen das Wort Konfis erst einmal nicht. Sie machten Confess daraus, englisch für Bekennen.

Liebe Gemeinde aus Konfis und längst Konfirmierten oder Gefirmten, unseren Glauben bekennen wir mit einer Aussage, die stark ist und stark macht. Wie ein Haus, in dem wir bleiben können. Wir alle bilden die Gemeinschaft der Heiligen. Unser aller Würde ist unantastbar. Wir sind miteinander verbunden, die hier in der Kirche Anwesenden mit denen, die in Gedanken bei uns sind. Die Gemeinde hier mit den Menschen draußen, die Schutz suchen. Einige wenige finden Asyl bei uns... Egal was kommt, wir werden bleiben im Hause des Herrn immerdar.

Der du allein der Ewge heißt und Anfang Ziel und Mitte weißt im Fluge unserer Zeiten, bleib du uns gnädig zugewandt und führe uns an deiner Hand, damit wir sicher schreiten.

Und der Friede Gottes, der weiter reicht als alle menschliche Vernunft, der wird unsere Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus.

Amen.