Predigt von Pastor Christoph Rehbein am 24. Dezember 2020

Liebe Gemeinde,

des Nachts hüten Sie ihre Herde, die Hirten.

Wir schreiben das Jahr, von dem an wir unsere Jahre zählen.
Die Lage in Bethlehem? Sie ist ernst. Anders als zur Zeit des Königs David wird die Provinz Palästina von Rom aus regiert. Vom dortigen Kaiser geht das Gebot aus. Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos.
Denn ganz plötzlich ruft ein Engel in der Nacht: „Euch ist heute der Heiland geboren, in der Stadt Davids.“
Was macht die Stille Nacht zu einer Heiligen Nacht?
Ganz einfach: das Licht. Es macht sie hell, die Szene in der Höhle von Bethlehem. Sie wird wahr, die Prophetie:
Das Volk das noch im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht. (Jes 9,1)
Jesus ist sein Name. Der bedeutet: Er wird sein Volk retten von ihren Sünden. (Mt 1,21)
Christ der Retter ist da. Das Gebot des Augustus wird relativiert. Die Gebote des Einen Gottes werden aktualisiert. Fürchtet euch nicht. Der Frieden auf Erden kommt.
Und er beginnt heute, in diesem „armen Stall“.

Szenenwechsel: Wir schreiben das Jahr 1818. Die Lage in Oberndorf an der Salzach, 20 km nördlich von Salzburg? Hundsmiserabel!
Drei Jahre nach dem Wiener Kongress werden Grenzen neu gezogen. Westlich der Salzach ist Bayern. Da wohnen die Reichen. In Oberndorf, auf der österreichischen Seite, die armen Flussschiffer. Die unter den hohen Zöllen der Bayern leiden.
Dazu kommen die Folgen einer Missernte, da im fernen Indonesien ein Vulkan ausbrach. In Mitteleuropa gehen für lange Zeit Ascheregen nieder. Die Lebensmittel vernichten, indem sie die Sonne und den Himmel verdunkeln.
Es wird trotzdem wieder Weihnachten. Doch nun ist auch noch die Orgel der Kirche kaputt. Wie kann die Stille Nacht eine Heilige Nacht werden? Joseph Mohr ist Pfarrer in Oberndorf. Schon zwei Jahre zuvor hat er genau zu diesem Thema ein Gedicht geschrieben. Er trifft seinen Freund, den Schullehrer Franz Gruber. Der komponiert eine einfache Melodie, vielleicht ist sie dem Echo von Jodelrufen nachempfunden. Uraufführung im Gottesdienst am Heiligen Abend 1818. Das Lied erreicht die Herzen. Ganz einfach zum Textlernen und Mitsingen.
Jahrzehnte später tritt es seinen Siegeszug an, der auch Amerika erreicht und Asien. Es soll Frieden gestiftet haben mitten in einer der schlimmsten Schlachten des ersten Weltkriegs. Jedenfalls eine heilige Nacht lang: Im Westen Belgiens legen deutsche und britische Soldaten die Waffen nieder. Und singen zweisprachig:

Stille Nacht, heilige Nacht. Silent Night Holy Night.

20 Jahre danach waren bei uns die Nazis an der Macht. Die das Lied zu ersetzen versuchen mit „Hohe Nacht der klaren Sterne“. Ganz germanisch, ohne den jüdischen Heiland. Den Hymnus kennt man heute nur noch ganz rechts...
Stille Nacht aber hat überdauert. Das ewige Lied, wie es in einem starken Film mit Tobias Moretti heißt, kennen 2 Milliarden Menschen auf der ganzen Welt.

Noch ein Szenenwechsel: Wir schreiben das Jahr 2020. Und sind hier, mitten in Hannover. Vor zehn Tagen eine originelle Schlagzeile in der Zeitung: Stille Nacht diesmal schon ab 14. Dezember.
Wieder viel Zeit also, die Fremdsprachenkenntnisse aufzufrischen. Englisch zum Beispiel: Lockdown wird auch bei uns zum Wort des Jahres Nr. 2. Griechisch ist auch wieder in aller Munde: Pandemie wird Wort des Jahres Nr. 1.
Latein lernen wir auch neu, sogar doppelt. Corona, die Krone. Virus, der Erreger. Macht zusammen Coronavirus.
Unter dem die ganze Welt Gesellschaft ächzt. Eine Pandemie wütet eben überall. Und wir Christenmenschen leiden mit. Hoffen genau wie alle anderen auf die Wissenschaft. Auf wirksamen Impfstoff möglichst ohne Risiken und Nebenwirkungen.
Doch ganz schlimm für uns: Singen verboten, streng verboten. Wie geht Weihnachten bei uns ohne ein laut und auswendig geschmettertes O du fröhliche?

Wie wird 2020 die Stille Nacht auch zu einer Heiligen Nacht?
Ganz einfach, liebe Gemeinde. Durch das Hören der unverwüstlichen, der ewigen Weihnachtsgeschichte. Gott wird Mensch, Dir, Mensch, zugute! Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Heute Abend hören wir einmal statt FFP 2  FEN 1 und als Folge daraus FAE 2. Wie geht das? Ganz einfach!

1)FEN. Das heißt Fürchtet euch nicht! Gott gibt uns zu denken durch die Pandemie...
Er legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch. (Psalm 68,20)
Er will uns genug Verstand schenken, dass wir nicht nur diese Krise lösen. Sondern auch das andere Ziel im Blick behalten, das in Bethlehem ausgerufen wurde:

2) FAE. Friede auf Erden. Frieden zwischen Menschen, Nationen und Religionen.
Und als ersten neuen Schritt dahin gehen wir wieder nach Belgien. Wo damals, am 24. Dezember 1914, in den Schützengräben plötzlich Stille Nacht gesungen wurde.
Dort heißt das Wort des Jahres Knuffelcontact.

Liebe Gemeinde in der Heiligen Nacht in Hannover 2020, setzen wir uns wie damals die Hirten in Bewegung!
Richtung Licht. Richtung Krippe.

Vergessen wir für einen Moment das Abstandhalten!

Als Kind dachte ich immer, Stille Nacht endet mit der Strophe: Christ der Retter ist nah. Wäre ja auch nicht verkehrt. Das Kind kommt uns nah. Auch in schweren Zeiten, auch in Corona-Zeiten!Dadurch wird diese Nacht heilig, damals wie heute und morgen.
Und noch näher kommt es: CHRIST DER RETTER IST DA!
Er liegt da in der Krippe, ohne Maske. Knuffelcontact ist erlaubt. Und möglich. Durch Beten, Hören und Singen. Indem wir Gemeinschaft nicht allein suchen, sondern auch finden.
Und Sein Frieden, der unsere Vernunft noch übersteigt, der breite sich aus in unseren Herzen, der bewahre und behüte uns.

In Jesu Namen. Amen.