Predigt von Pastorin Elisabeth Griemsmann

am 29. November 2020 (1. Advent)

über Sachrja 9, Verse 9-10

Brich laut in Jubel aus, Tochter Zion! Schrei deine Freude heraus, Tochter Jerusalem! Sieh doch, dein König! Er kommt zu dir. Ins °Recht gesetzt und gerettet ist er, ohne Besitz, voll Demut und reitet auf einem Esel, ja, auf einem Grautier, dem Füllen der Eselin. 10Aus Efraim rotte ich die Kampfwagen aus, die Streitrosse aus Jerusalem, der Kriegsbogen wird zerbrochen. Er verkündet den °Nationen °Frieden, regiert von Meer zu Meer, vom Tigrisstrom bis zu den Enden der Erde. Sacharja 9, Verse 9-10 (Bibel in gerechter Sprache)

Liebe Gemeinde,

die Adventszeit hat heute begonnen. Die erste Kerze ist heute am Adventskranz angezündet worden. Advent ist eine besondere Jahreszeit. Aber vieles ist in diesem Jahr nur sehr eingeschränkt möglich. Weihnachtsfeiern, Weihnachtsmärkte, Weihnachtskonzerte – all das fällt aus. Und wir müssen überlegen, wie wir diese Adventszeit füllen. Das ist gar nicht so einfach. Wir sind mehr zuhause, mehr unter uns.

Advent kommt von dem lateinischen Wort: Adventus. Es heißt übersetzt: Ankunft. Und meint die Ankunft des Herrn Jesus Christus. Wir denken an die Weihnachtsgeschichte, den Weg nach Bethlehem, an das Kind in der Krippe, an die Botschaft des Engels. Gott kommt in unsere Welt. Im Advent gibt es deshalb eine Vorfreude, denn die Freude gehört doch zu Weihnachten. Im Advent können wir immer wieder einmal die Hände in den Schoß legen und auf Weihnachten warten. Und wir können diese Zeit gestalten. Wenn wir uns selbst schon freuen, können wir anderen eine Freude machen. Das geht auch mit Abstand. Wir können Vorbereitungen für Weihnachten treffen: dabei geht es jedoch nicht nur um die Dekoration der Wohnung und das Besorgen der Geschenke...Wir können auch über unseren Glauben nachdenken. Überlegt einmal: Worauf können wir vertrauen, wenn Gott uns Weihnachten seinem Sohn schenkt? Dass Gott uns in Liebe begegnet! Worauf können wir uns verlassen, wenn es für Gottes Sohn keinen Platz in der Herberge gibt? Dass er gerade zu den kleinen Leuten kommt, die man auch einmal wegschicken will! Und worauf können wir hoffen, wenn die Engel singen: Frieden auf Erden? Dass wir weiterhin auf Frieden hoffen können – trotz allem Streit in der Welt.

In dem Adventslied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ geht es um eine besondere Vorbereitung: Es fordert alle Menschen auf, die Tore für Gott zu öffnen: es bezieht sich zuerst auf einen Psalm, in dem die Tore des Tempels geöffnet werden sollen. Dann kommen andere Tore hinzu: die Toren der Städte und Wohnungen, aber auch die ganz persönliche Herzenstür. Nicht nur die große Gotteshäuser sollen sich für Gottes Ankunft öffnen, sondern auch die Orte, in denen Menschen hinter Mauern leben, damit sie die Tore für die Fremden und Ausgestoßenen öffnen. Auch die Häuser und Wohnungen sollen für Gott geöffnet werden, damit Menschen freundlich und fair miteinander umgehen und der Frust nie mehr brutal an Schwächere weitergegeben wird. Gottes Kommen tut zuletzt auch dem einzelnen gut, damit auch ich fröhlich, gelassen und hoffnungsvoll leben kann. Gott kommt, so sagt es das alte Adventslied. Dieses Kommen könnt ihr begleiten: Öffnet die Tore. Lasst euch darauf ein. Vergesst eure Schutzmauern und Abgrenzungen. Mit Gottes Sohn kommen Gerechtigkeit und Frieden.

In unserem Predigttext werden die Bewohner Jerusalems aufgefordert sich zu freuen. Schon Jahrhunderte vor der Geburt Jesu. Nun, Freude lässt sich sicher nicht befehlen, aber hier ist es auch eher eine Ansage, weil der Grund der Freude kommt. Das, was die einen sehnlich erwarten, den König ihrer Stadt, das kann der andere schon sehen und ankündigen. Ein Vorbote, ein Herold kündigt die Ankunft an. Vorfreude wecken – das passt gut in die Zeit des Advents. In die Zeit, in der wir auf Weihnachten warten.

Aber dann geht es gar nicht so sehr um das, was Menschen tun können, sondern um das, was dieser König für die Bewohner der Stadt tut und was Gott durch ihn tun will. Ich möchte das noch einmal sagen: Dieser König ist in seinem Verhalten so ungewöhnlich, so ganz anders als die anderen Könige. Als Reittier hat er sich einen Esel ausgesucht. Er nimmt kein Pferd, das ihn in eine Schlacht tragen würde und gut zu einem Siegesmarsch passt. Er ist kein Heerführer. Und seine Geschichte? Er hat keine glänzende Militärkarriere als hinter sich. Vielmehr hat er Unrecht kennengelernt und erlebt, wie es ist, ins Recht gesetzt zu werden. Er hat Bedrohungen erlebt und ist selbst gerettet worden. Das bestimmt sein Regierungsprogramm: Er ist nicht überheblich, sondern demütig. Er würdigt das Kleine. Er hat Mitgefühl mit den Benachteiligten. Er stellt sich an die Seite der Schwachen. Als König setzt er neue Richtlinien. Mit ihm will Gott Kriegsgeräte vernichten lassen, und der König selbst soll den Nationen Frieden verkündigen und diesen Frieden ausbreiten über die ganze Erde. Er ist ein Friedenskönig. Darüber sollen sich die Bewohner der bedrängten Stadt Jerusalem freuen.

Ist dieser König gekommen? Für Jerusalem und Israel? Für die Welt? Viele jüdische Ausleger dieser Bibelstelle sagen, dass solch ein König noch immer nicht gekommen ist. Juden und Jüdinnen warten auf ihn, denn es ist noch kein richtiger Frieden in Jerusalem, zwischen Israel und seinen Nachbarn. Und Krieg und Flucht, Verfolgung und Unterdrückung gibt an vielen Orten auf der Welt. Sie erwarten den Friedenskönig am Ende der Zeiten.

Die Christinnen und Christen haben jedoch geglaubt, dass Jesus von Nazareth dieser Friedenskönig ist. Er ist auf einem Esel in die Stadt Jerusalem eingezogen. Dort wurde er bewundert, aber auch gefangengenommen und hingerichtet. Seine Lehre wurde jedoch von den Jüngern und Jüngerinnen weitergetragen, überall bildeten sich christliche Gemeinden. Sein Königreich ist nicht von dieser Welt, aber durch ihn haben sich Menschen aus den Völkern Hoffnung geben lassen: auf Frieden und Gerechtigkeit. Auch sie erwarten sein Kommen am Ende der Zeit. Beide, Juden und Christen warten noch heute darauf, dass dieser König den Frieden bringen wird.

Mit einem König oder einer Königin haben heute die wenigsten Völker der Welt zu tun. Und es gibt immer wieder Kritik an Königen, die sich nicht gut um ihr Volk kümmern. Der thailändische König ließ es sich in Bayern gut gehen. Auch die Bibel ist voll von Kritik an den Herrschenden. Dagegen wird in unserem Bibeltext die Hoffnung auf einen König geweckt, der einen ganz anderen Weg geht, der selbst schwach war und der Frieden schafft. Das ist nicht überholt, weil es vor Jahrtausenden gesagt wurde. Das ist auch heute wichtig: wir brauchen für unsere Gegenwart mehr Gerechtigkeit und Frieden. Was schon gelingt, tut uns gut. Auch die lange Friedensphase in Mitteleuropa seit 75 Jahren. Aber es gibt immer wieder neue Konfliktherde. Und der Weg zum Frieden ist noch weit.

Im Advent denken wir an Frieden und Gerechtigkeit. Dass es Angst und Gewalt, Einsamkeit und auch Tod gibt, wollen und können wir nicht ausblenden. Es ist da. Aber wir können uns an Gottes Versprechen festhalten, dass er zu uns kommt, dass er unser Leben hell macht. Und wir können uns gegenseitig unterstützen und Mut machen. Wir können einander etwas Gutes tun – auch mit Abstand.

Friedensgeschichten können wir lesen. Wir können zuhause Zeit miteinander verbringen: backen und basteln und spielen. Wir können es uns gemütlich machen. Wir können Spaziergänge und Wanderungen machen. Und wir können an all die denken, die allein sind: mit ihnen telefonieren, für sie Päckchen packen und ihnen Karten schicken. Wir können für Kinder in anderen Ländern Geld spenden, damit sie zur Schule gehen und einen Abschluss machen dürfen. Brot für die Welt leitet das Geld an die Partnerorganisationen weiter.

In diesem Advent ist vieles anders. Aber es wird bestimmt nicht langweilig werden. Und wir dürfen uns darüber freuen, dass Weihnachten mit seiner guten Nachricht immer näher herankommen wird.

Amen.