Predigt am 23. Juli über Apostelgeschichte 2,41-47

Liebe Gemeinde,

Der Kirche geht es nicht gut. Dieser Tage hört man vor allem von Kirchenaustritten. Hierzulande hat Kirche eine schlechte Presse. Mit der Kirche geht es bergab.

Da sagen manche: Früher war alles viel besser. Man erinnert sich an Zeiten, wo Kinder zum Kindergottesdienst gebracht wurden und Gottesdienste besser besucht waren. Damals ließen sich junge Leute kirchlich trauen und in der Gemeinde war vielmehr los.

Hilft so ein Blick zurück? Sollten wir nicht eher nach vorne schauen? Wie müsste eine Gemeinde im Idealfall aussehen?

Unser Predigttext aus der Apostelgeschichte hört sich an wie ein Rückblick auf die ersten Anfänge des Christentums. Da heißt es, dass an einem einzigen Tag 3.000 Menschen auf einmal getauft wurden.

Das ist fantastisch aber kaum vorstellbar. Das wären ungefähr 10 Prozent der damaligen Bevölkerung Jerusalems gewesen. Man stelle sich vor, wie viele Stunden es dauern würde 3.000 Menschen zu taufen! So eine Massentaufe ist doch sehr unwahrscheinlich. Es geht also eher nicht um einen historischen Bericht, auch wenn es sich so anhört.

Hier wird ein Idealbild von Kirche gezeichnet.

Mehrere Merkmale gehören zur idealen Kirche und sie werden im Predigttext aufgezählt.

Über jedes dieser Merkmale ließe sich viel sagen, aber heute möchte ich mich auf eine Sache beschränken: die Gütergemeinschaft.

Da heißt es „Alle Glaubenden aber hielten zusammen und hatten alles gemeinsam. Güter und Besitz verkauften sie und gaben von dem Erlös jedem so viel, wie er nötig hatte.“

Der Schriftsteller, der die Apostelgeschichte geschrieben hat, ist derselbe, der das Lukasevangelium verfasst hat. Wir wissen nicht viel über ihn. Manche meinen, er sei Arzt gewesen und ein Begleiter des Apostels Paulus. Wer auch immer er war, eins steht fest: Er interessierte sich, wie kein anderer Evangelist für materielle Angelegenheiten,  für das Verhältnis von arm und reich, für die Frage, was Christen mit ihrem Geld machen.

Lukas ist es, der in seinem Evangelium die Armen seligpreist. Selig seid ihr Armen, Euch gehört das Reich Gottes. Nicht wie bei Matthäus , wo die geistig Armen seliggepriesen werden, nein, Lukas meint die Armen, die kein Geld haben, die nichts besitzen. Ihnen wird das Reich Gottes gehören.

Derselbe Lukas erzählt die Geschichte vom reichen Mann, der in die Hölle kommt, während der arme Lazarus, der vor seiner Tür gebettelt hat, bei Abraham im Himmel ist.

Lukas ist es auch, der vom reichen Jüngling schreibt, dem Jesus sagt: „Verkaufe alles und verteile es unter die Armen.“

Und hier lesen wir, dass alle in der Kirche ihren Besitz zusammenlegen und ihre Güter untereinander so aufteilen, dass jede und jeder so viel hat, wie sie oder er nötig hat.

Es ist auffällig, dass es hier um eine Umverteilung innerhalb der Gemeinde geht. Es geht also nicht um ein politisches Programm für die ganze Gesellschaft. Christen untereinander nehmen es ernst mit der Gemeinschaft, auch wenn es ums Geld geht. Es geht nicht um Weltverbesserung im großen Stil, es ist also kein Parteiprogramm. Hier wird nur gesagt: So leben Christen, so soll es in der Kirche aussehen.

Genau genommen ist das Modell auch nicht sehr nachhaltig. Wenn nämlich der Besitz und alle Güter verkauft sind, die Häuser, die Felder, der Schmuck, und wenn der Erlös untereinander verteilt ist, dann ist bald nichts mehr da. Das haben die Klöster später besser gelöst. Die Mönche und Nonnen oder ihre Familien haben Ihren Besitz ans Kloster abgegeben. Die Mönche und Nonnen waren zwar selber arm aber auch gut versorgt und die Klöster wurden dabei sehr reich.

Im Laufe der Geschichte hat es immer wieder Versuche gegeben, diesen sogenannten urchristlichen Kommunismus in die Tat umzusetzen. Es endete jedes Mal im Fiasko.

Es ist also kein Wirtschaftsmodell, das man umsetzen kann. Dieses Idealbild christlicher Gemeinschaft erinnert aber daran, dass es innerhalb einer christlichen Gemeinde keine Bedürftigen geben sollte, solange andere etwas abgeben können.

Mich erinnert das an eine Reise auf die exotische Insel Bali, wo wir die kleine evangelische Minderheit kennen gelernt haben. Ein junger Mann begleitete uns und erklärte uns, was es bedeutet Christ zu sein auf der Insel Bali wo beinahe alle Hindus sind.

„Bei uns in der Kirche ist niemand arbeitslos.“ sagte er ganz stolz. „Wenn jemand seinen Job verliert, bekommt er gleich bei einem christlichen Arbeitgeber eine neue Arbeit. Deshalb ist unter den Christen niemand arm.“

Damals fand ich das seltsam, und dachte: Sollten sich Christen nicht um alle kümmern? Ist es richtig, zuerst für die eigenen Leute zu sorgen? Ist Nächstenliebe nicht genau das, dass man für Fremde sorgt, zum Beispiel für Angehörige anderer Religionen? Da fällt uns gleich das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter ein. Er überschreitet die Grenzen der Religion und der Nationalität, um einem Fremden zu helfen, der unter die Räuber gefallen ist.

Es ist ausgerechnet Lukas, der dieses Gleichnis in seinem Evangelium überliefert. Für Lukas schließt das eine das andere also nicht aus! Dieselben Christen, die füreinander sorgen, die lieben auch den fernen Nächsten.

Es gab Zeiten, da gehörte in Deutschland die Bevölkerung praktisch zu hundert Prozent zur Kirche. Da wurde es dann Aufgabe des christlichen Staates für die allgemeine Wohlfahrt zu sorgen. Steuern wurden von denen eingezogen, die Geld hatten und daraus wurden die Armen, die Kranken, die Bedürftigen vom Staat unterstützt.

Das funktioniert noch immer einigermaßen und doch haben wir als Christen eine besondere Verantwortung, darauf zu achten, dass in unserer Gesellschaft und ganz besonders innerhalb unserer Gemeinden für Bedürftige gesorgt wird. Tatsächlich gibt es in unserer Gemeinde einige, die sich um andere Gemeindeglieder kümmern und oft sind es dieselben, die auch für andere Zwecke geben oder in der Kollekte spenden.

Anderswo in der Apostelgeschichte schreibt Lukas:

Die ganze Gemeinde war ein Herz und eine Seele, und nicht einer nannte etwas von dem, was er besaß, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam.“

Für Lukas gehört die Gütergemeinschaft zum Ideal einer Kirche, in der alle ein Herz und eine Seele sind. Nur wenn es keine Bedürftigen gibt, kann es in der Gemeinde Frieden geben.

Vielleicht ist etwas dran, dass eine Kirche besonders anziehend und einladend ist, wenn es bei ihr weder Streit noch Armut gibt?

Amen!