Predigt von Pastor Christoph Rehbein
am 17. Januar 2021
über Johannes 2, Verse 1-11

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der da kommen wird, unser Herr Jesus Christus.

Aus dem für den zweiten Sonntag nach Epiphanias vorgeschlagenen Predigttext Johannes 2,1-11 hören wir zunächst die ersten drei Verse:

Und am dritten Tag war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war dort. Aber auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit geladen. Und als der Wein ausging, sagt die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr.

Liebe Gemeinde, wir würden das mit einem unserer Lieblingswörter kommentieren: Katastrophe! Erst vorgestern las ich im Wirtschaftsteil der Zeitung: 2020 war ein Katastrophenjahr. Das Bruttoinlandsprodukt: Um 5 Prozent zurückgegangen, könnte man auch sagen. Coronabedingt. Reduziert. Gesunken.

Katastrophe aber als Ausruf, das klingt besser! Es schafft mehr Aufmerksamkeit. In Kana, einem Dorf bei Nazareth, ist bei einer Hochzeit der Wein ausgegangen. Und in China ist womöglich mal wieder ein Sack Reis umgefallen. Ist das gleich eine Katastrophe?

Liebe Gemeinde, in Kana ist es eine! Die großen Feiern waren selten geworden im Galiläa zur Zeit der römischen Fremdherrschaft. Eine orientalische Hochzeit ist wahrhaftig eine Hoochzeit – denn sie dauert sieben Tage. Sieben Tage, wie in der Schöpfung - bis zur Erschöpfung...

Sie haben keinen Wein mehr.

Wie geht es weiter?

Und Jesus sagt zu ihr: Was hat das mit dir und mit mir zu tun, Frau? Meine Stunde ist noch nicht da. Seine Mutter sagt zu den Dienern: Was immer er euch sagt, das tut.

Psychologisch sehr interessant, dieser kurze Dialog. Frau sagt Jesus zu Maria. Ist das respektlos? Man könnte auch sagen: Mit solcher Distanz spricht ein erwachsen Gewordener. Der aber noch in der Vorbereitung steckt auf seinen großen Auftritt, seine Bestimmung. Die Mutter nimmt diese Antwort ernst, obwohl sie abweisend erscheint.

Maria führt die Geschichte weiter! Sie weiß, dass die Katastrophe eine Wendung nehmen wird: Was immer er zu euch (Dienern) sagt, das tut. -

Es standen dort aber sechs steinerne Wasserkrüge, wie es die Reinigungsvorschriften der Juden verlangen, die fassten je 2-3 Maß.

Also richtig gute Krüge aus Stein. Die hielten das Wasser klar. Und Wasser gibt es offenbar genug. So dass die Krüge, in denen es gespeichert wurde, groß sein durften. Die Archäologie spricht von 80-120 Litern Fassungsvermögen pro Krug. Da kommt schon was zusammen!

Jesus geht von dem aus, was da ist. Und nimmt jetzt den Gang der Dinge in seine Hände. Beziehungsweise in seinen Mund:

Jesus sagt zu ihnen: Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten Sie bis oben. Und er sagt zu ihnen: Schöpft jetzt und bringt dem Speisemeister davon. Und sie brachten es.

Liebe Gemeinde, Sie ahnen ja schon, was jetzt kommt. Auch die, denen die Geschichte vielleicht unbekannt ist. Oder in Vergessenheit geraten. Durch die Kraft Jesu wird aus dem Wasser Wein. Die Feier des Lebens findet eine Fortsetzung.

Fulbert Steffensky heißt ein für viele theologische Fachkräfte einflussreicher Lehrer unserer Zeit. Er steht diesem Wunder kritisch gegenüber. Und nennt es im Vergleich zu Jesu späteren Wundern, die Leben retten werden, entbehrlich. Weniger bedeutsam also.

Ich möchte heute morgen anders auslegen. Dass Jesus aus Wasser Wein macht, höre ich als ein sehr hilfreiches Gleichnis für unsere Zeit.

Wir sind in diesen Wochen zurückgeworfen auf Elementares. Unsere menschlichen Kontakte reduzieren wir. Auf gewohnte Wege verzichten wir. Reisen finden kaum noch statt. Sieben Wochen ohne? Die Fastenzeit ist dieses Jahr offenbar vorverlegt. Immerhin haben wir noch Wasser satt! Reichlich von den Lebensmitteln, die wir brauchen...

Und ich höre von einigen Mitmenschen: Mir tut das ganz gut!

Ich komme zu wichtigen Dingen, die ich lange aufgeschoben aufgeschoben habe, sagt der eine. Ich habe den Kontakt zu einer alten Freundin aufgefrischt, berichtet die andere. Wir genießen den geringeren Lärmpegel auf der Straße und vor allem in der Luft, erzählen Gemeindeglieder aus Langenhagen.

Und gestern sagte mir jemand am Telefon: Für unsere gesamte Erde ist das gut, diese Pause. Weniger CO 2. Aber eben zu viele Menschen. Darum mehr Viren aus der bedrängten Tierwelt. Weltpolitisches Umdenken ist gefordert.

Liebe Gemeinde, mir ist bewusst, dass es auch ganz andere Stimmen gibt. Die stöhnen laut: Der Lockdown macht mich fertig. Seelisch. Und erst recht wirtschaftlich!

Statt des halb leeren Glases sieht Jesus das halb volle. Besser gesagt: Sechs volle Wasserkrüge, bis an den Rand gefüllt. Aus elementaren Wasser wird er besonderen Wein machen. Der Verlauf des Lebensfestes ist anders als geplant. Aus der Katastrophe wird eine „Metanoia“. Eine Umkehr! Neue Besinnung! Ein Aufbruch zu neuen Ufern! Weiter im Text:

Als aber der Speisemeister das Wasser kostete, das zu Wein geworden war und nicht wusste woher es war – die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es –, da ruft der Speisemeister den Bräutigam und sagt zu ihm: Jedermann setzt zuerst den guten Wein vor, und wenn sie betrunken sind, den schlechteren. Du hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten.

Damit endet die Geschichte. Wie es weitergeht, können wir uns ausmalen, selber denken...

Mir fällt die letzte Gemeindereise ins Heilige Land ein, im Februar 2019. Wir waren aus Zippori bei Nazareth auf dem so genannten Jesus-Trail nach Kana hereingewandert. In dem heute recht großen arabischen Dorf geht es zur Weinwunder-Kirche am Ende noch einmal ganz leicht bergauf. Und wie ein besonderes Fliesenband zieht dieser Bibeltext - auf Augenhöhe zum Mitlesen - sich an der Straßenmauer entlang. Die hinaufführt auf den Vorplatz der eher schlichten Kirche.

Dort komme ich ins Gespräch mit einem älteren amerikanischen Ehepaar. Freimütig erzählen sie etwas, das mich sehr anrührt.

Vor fast genau 40 Jahren hätten sie geheiratet. Sie Krankenschwester, er Geschichtsstudent. Viel Arbeit, wenig Geld. Das wurde besser, aber der ersehnte Nachwuchs fehlte. Große Ehekrise, weil lange unklar blieb, an wem es lag. Mit Ende 30 dann die erfolgreiche Vermittlung einer Adoption. Etwas später ein zweites angenommenes Kind. Familienglück der anderen Art. Jesus habe aus Wasser Wein gemacht. Jesus habe aus wenig viel gemacht. Sie seien so dankbar, dass sie hier in Kana, am Ort der biblischen Hochzeit,  nach 40 Jahren noch einmal ihr Eheversprechen erneuert hätten: „In guten wie in schlechten Zeiten bleiben wir zusammen!“

Liebe Gemeinde, es folgt noch ein letzter Vers, der deutlich macht, dass dieses Wunder, ob entbehrlich oder eben doch unentbehrlich, erst der Anfang ist:

Das tat Jesus als Anfang der Zeichen in Kana in Galiläa und er offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn.

Er offenbarte. Da steht im Griechischen das Wort für das Fest des 6. Januar. Nach dem der heutige 2. Sonntag nach Epiphanias benannt ist. Jesus wird erwachsen. Seine Jünger glauben an ihn. Seine Mutter sowieso.

Der Rückenwind von Weihnachten möge uns begleiten in die nun wieder länger währenden Tage. Aus wenig kann viel werden, Katastrophen können zu neuen Aufbrüchen führen.

Und der Friede Gottes, der weiter reicht als alle menschliche Vernunft, der wird unsere Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus. Amen.