Predigt von Rev. Chelsea Lampen am 23. Februar in der Ev.-ref. Kirche zu Hannover

Apostelgeschichte 16,9-15:
9 In der Nacht hatte Paulus eine Erscheinung. Ein Mann aus Makedonien stand vor ihm und bat: »Komm herüber nach Makedonien und hilf uns!« 10 Gleich nachdem Paulus die Erscheinung gehabt hatte, suchten wir nach einer Möglichkeit, um nach Makedonien zu gelangen. Denn wir waren sicher: Gott hatte uns dazu berufen, den Menschen dort die Gute Nachricht zu verkünden. 11 Von Troas aus setzten wir auf dem kürzesten Weg nach Samothrake über. Einen Tag später erreichten wir Neapolis. 12 Von dort gingen wir nach Philippi. Das ist eine bedeutende Stadt in diesem Teil Makedoniens und eine römische Kolonie. In dieser Stadt blieben wir einige Zeit. 13 Am Sabbat gingen wir durch das Stadttor hinaus an den Fluss. Wir nahmen an, dass dort eine jüdische Gebetsstätte war. Wir setzten uns und sprachen zu den Frauen, die an diesem Ort zusammengekommen waren. 14 Unter den Zuhörerinnen war auch eine Frau namens Lydia. Sie handelte mit Purpurstoffen und kam aus der Stadt Thyatira. Lydia glaubte an den Gott Israels. Der Herr öffnete ihr das Herz, sodass sie den Worten von Paulus aufmerksam zuhörte. 15 Sie ließ sich taufen zusammen mit ihrer ganzen Hausgemeinschaft. Danach bat sie: »Wenn ihr überzeugt seid, dass ich wirklich an den Herrn glaube, dann kommt in mein Haus. Ihr könnt bei mir wohnen!«
Sie drängte uns, die Einladung anzunehmen.

Einen guten Nachmittag Ihnen! Es ist schön, dass wir alle zu diesem Gottesdienst heute zusammen gekommen sind! Da wir einen langen Gottesdienst feiern, will ich direkt auf den heutigen Predigttext eingehen: Apostelgeschichte 16,9-15. Dieser Abschnitt könnte in gewisser Weise mit „Die Missionsreise des Paulus nach Europa“ überschrieben werden. Und das scheint passend für einen Pastor und eine Pastorin, die nach Europa gekommen sind, nachdem sie einen Ruf von Gott erhalten haben, um hier ein Predigtamt wahrzunehmen. Aber wenn wir den Abschnitt gemeinsam lesen, geht es um mehr als das. Dieser Abschnitt könnte auch überschrieben werden mit „Die Gastfreundschaft der Lydia“. Sie wird in der Kirche geehrt als Verkünderin des Evangeliums und Gastgeberin für Paulus und seine Missionsfreunde. Es geht also nicht nur um die, die ausgesandt werden, sondern auch um die, von denen sie aufgenommen werden. Und so ist dieser Abschnitt wie geschaffen für unseren besonderen Gottesdienst heute.
Jeff und ich haben nicht mitten in der Nacht eine Vision empfangen, dass wir hierher kommen sollen. Es gab keinen Traum, in dem Philipp oder Paul oder Birgit sagten: „Komm rüber nach Hannover und hilf uns!“
Bei Paulus war es tatsächlich so, dass er nach Mazedonien ging, weil er nach etwas suchte, von dem er glaubte, dass es ihn rufen würde. Und dann fand er etwas anderes. Und Lydia ging nicht zum Fluss hinunter, um ihr Haus taufen zu lassen oder die große Gruppe von Reisenden in ihr Haus einzuladen. Beide brachen von zuhause auf, um etwas zu tun. Und das Wirken des Heiligen Geistes führte sie woanders hin.
Ehrlich gesagt, wenn man darüber nachdenkt, so waren die Chancen, dass sich Paulus und Lydia über den Weg liefen, eher gering. Gerade für Paulus, der von so weit her kam, mit all den Irrungen und Wirrungen auf seinen Reisen. Denken Sie nur an die vielen Auseinandersetzungen zwischen Paulus und anderen Aposteln, die unterwegs waren, um den Heiden das Evangelium zu verkündigen. Und bedenken Sie, dass Paulus eigentlich nach Bithynien reisen wollte. Und dann kamen sie zufällig genau zu der Zeit an diesen Fluss, als Lydia dort war. Und nach dem, was wir über Lydia wissen, so war sie eine vielbeschäftigte Frau. Sie verkaufte teure Waren und lebte bereits ihren Glauben, sie ist wie Maria und Martha in einer Person. Nein, diese Begegnung wäre nie zustande gekommen, wenn die eine oder die andere Seite nicht bereit gewesen wäre, zuzuhören und sich vom Heiligen Geist leiten zu lassen.
Und so werden sie durch die Kraft des Heiligen Geistes zusammengeführt. Paulus verkündet das Evangelium, und Lydia antwortet mit dem Glauben, indem sie sich taufen lässt. Diese Überschneidung von Gottes Güte und Treue mit der menschlichen Bereitschaft zuzuhören ist wunderschön. Ein Kommentator sagt: „Das sehnsüchtige Herz einer gläubigen Frau wird durch den gnädigen Impuls eines glaubensspendenden Gottes in einem Akt geöffnet, der, wie die Menschwerdung selbst, zugleich völlig menschlich und völlig göttlich ist. Wie Lydia sind wir erstaunt, wenn wir rückblickend feststellen, dass unsere Schritte gelenkt und unsere Herzen geöffnet wurden.“
Jeder von uns, der heute hier anwesend ist, ist aufgerufen, aus einem offenen Herzen heraus zu tun, was der Herr in unserem Leben tun will. Egal, ob dies hier die Kirche ist, in der Sie als Kind getauft wurden, oder ob Sie vor 10 Jahren aus Namibia gekommen sind, oder ob Sie erst seit letztem Monat hier sind und aus einem der vielen Länder kommen, die heute hier vertreten sind – wir alle sind aufgerufen, Menschen mit gastfreundlichem, offenem Herzen zu sein. Denn das ist die andere schöne Sache, die Lydia hier tut. Sobald Gott ihr Herz öffnet, öffnet sie sogleich ihr Haus. Nachdem sie die Gute Nachricht empfangen hat, öffnet sie ihre Arme zur Gastfreundschaft.
Dieser Einführungsgottesdienst ist etwas sehr Schönes – nämlich das Zusammenkommen einer Kirchengemeinde, die schon lange vor den Weltkriegen hier war, mit einer Gemeinde, die aus allen Nationen und Sprachen kommt. Ja, RELISH feiert hier schon seit fast zehn Jahren Gottesdienst, aber heute kommen wir erneut zusammen und sagen: „Ja, UND wir wollen dieses Leben im Dienst zusammen gestalten.“ Ich sage, das ist ›schön‹, und ich meine damit auch ›mutig‹: Es ist mutig, in echter Gastfreundschaft nebeneinander zu stehen, denn das bedeutet auch, dass es Zeiten gibt, in denen wir unsere Komfortzone verlassen. Andere Musik, mehr Bewegung und Lachen im Gottesdienst, andere Traditionen, Speisen, Gerüche – ALLES kann sich anders anfühlen als das, wie wir es gewohnt sind.
Es ist mutig, neugierig zu bleiben, um neue Dinge auszuprobieren. Es ist mutig, aus unseren gewohnten Pfaden herauszutreten und zu sagen: „Ich liebe und schätze dich. Ich möchte lernen. Das Zusammenleben ist mir wichtiger, als in meiner Komfortzone zu bleiben. Und genau das bedeutet es, der Aufforderung desselben Heiligen Geistes zu folgen, der in den Herzen von Paulus und Lydia wirkte.
In meinen beiden Heimatorten, sowohl hier als auch in den USA, gibt es derzeit viele Stimmen, die sagen, dass solche Gastfreundschaft unnötig sei. Manche sagen sogar, dass sie unbiblisch sein könnte. Sie sagen, wir sollten in unseren Kreisen bleiben und das, was uns gegeben wurde, vor anderen schützen. So wie der Knecht, der in dem Gleichnis Jesu in Mt 25 sein Talent vergräbt, anstatt das zu nutzen, was Gott uns gegeben hat. Anstatt, gute Werke für ihn zu tun, sagen uns Stimmen in der Gesellschaft, dass wir Angst davor haben sollen, unsere Gaben für die Menschen um uns herum einzusetzen. Wenn Sie das Gleichnis noch einmal nachlesen, werden Sie feststellen, dass der Knecht, dem gesagt wurde, er sei böse und faul, antwortet: „Ich fürchtete mich und ging hinaus und versteckte dein Gold in der Erde.“ Anstatt sich von Neugier, Gastfreundschaft und Glauben leiten zu lassen, wird er von Angst getrieben. Das entspricht genau dem, was die Rhetorik auslöst, die wir heutzutage überall hören. Aber genau hier, wenn wir uns umsehen, werden wir Zeugen, dass wir mit dem, was Gott uns gegeben hat, zuverlässig und treu umgehen.
Wir sagen: „Ich weiß, dass ich ein Dach über dem Kopf habe. Ich weiß, dass ich genügend Platz habe. Ich weiß, dass ich zwei Jahre hier in Hannover habe, und ich möchte das, was mir gegeben wurde, dafür nutzen, dich, Jesus, zu loben.“ Und wie Lydia und die guten und treuen Knechte aus dem Gleichnis, wollen wir uns im Glauben und in der Gastfreundschaft aufmachen.
Nachdem wir diesen Gottesdienst gefeiert und den Kuchen gegessen haben und in unsere neue Woche gegangen sind und die Monate begonnen haben zu vergehen, was bedeutet dieser Abschnitt dann für uns?
Die Herausforderung richtet sich an uns alle – an die vom deutschen Gottesdienst und an die von RELISH. Es sind drei Dinge: dass wir wie Paulus auf den Heiligen Geist hören, wenn der Geist ruft. Wir verlassen unsere Komfortzone und sind bereit, etwas Neues auszuprobieren und einander zu dienen, so wie es Paulus mit seiner Gruppe von Missionaren getan hat.
Zweitens, dass wir wie Lydia in einer Haltung der Gastfreundschaft dem Evangelium treu sind. Wir laden uns gegenseitig ein. Das bedeutet, dass die deutschsprachige Gottesdienstgemeinde die Menschen von RELISH in verschiedene bereits bestehende Dienste in der Gemeinde einlädt. Das bedeutet auch, dass die Menschen von RELISH die deutschsprachigen Gemeindemitglieder in neue Ideen einlädt, die wir gerade träumen und entwickeln.
Und drittens stellen wir uns – wie Lydia und Paulus – gegen die Stimmen um uns herum und verkünden Güte, Barmherzigkeit und Freundlichkeit. Durch unsere Art, miteinander umzugehen und mit denen, die wir noch nicht kennen, zeigen wir nach außen, was es bedeutet, der geliebte Leib Christi zu sein.
Geliebte, wir sind genauso berufen wie Paulus und Lydia. Wir sind Miterben Christi, gehalten nahe am Herzen Gottes. Wir haben ein Geschenk erhalten, hier an diesem Ort mit diesen Menschen. Und wir können treu und aufrichtig sein.
Ich bin so gespannt darauf, zu sehen, was Gott tun wird. Lasst uns Zeugen sein, und wie Lydia werden wir erstaunt sein, wenn wir zurückblicken und nur sagen können, dass unsere Schritte gelenkt und unsere Herzen geöffnet wurden. Amen.

The original sermon in english:

During the night Paul had a vision of a man of Macedonia standing and begging him, “Come over to Macedonia and help us.” After Paul had seen the vision, we got ready at once to leave for Macedonia, concluding that God had called us to preach the gospel to them. From Troas we put out to sea and sailed straight for Samothrace, and the next day we went on to Neapolis. From there we traveled to Philippi, a Roman colony and the leading city of that district of Macedonia. And we stayed there several days. On the Sabbath we went outside the city gate to the river, where we expected to find a place of prayer. We sat down and began to speak to the women who had gathered there. One of those listening was a woman from the city of Thyatira named Lydia, a dealer in purple cloth. She was a worshiper of God. The Lord opened her heart to respond to Paul’s message. When she and the members of her household were baptized, she invited us to her home. “If you consider me a believer in the Lord,” she said, “come and stay at my house.” And she persuaded us.

Good afternoon! It is so good to get to all be together for this service!

Because we have a full service, I’m going to dive right into the passage that was chosen for this Sunday: Acts 16:9-15. This passage that could in one way be titled “Paul’s missionary trip to Europe” seems fitting for two pastors coming to Europe after receiving a call from God to come and minister here. But as we read the passage together, it is more than that. This passage could also be called “The hospitality of Lydia”, someone the church celebrates as a proclaimer of the gospel and host to Paul and his missionary friends. It is not just about those who are sent out, but also those who receive them. And so, this passage is perfect for this specific service.

Jeff and I did not receive a vision to come here in the middle of the night. There was no dream of Philipp or Paul or Brigit saying “Come over to Hannover and help us!” But the reality is that Paul went to Macedonia looking for one thing he thought was calling him, and then found something different. And Lydia didn’t go down to the river to have her household baptized or invite this large group of travelers into her home. Both set out from their home to do one thing, the work of the Holy Spirit led them to do another.

Honestly, if you think about it, the chances of Paul and Lydia meeting are rather slim. For Paul, coming from as far as he did with all of the twists and turns of his travels. Think of all the various arguments that had happened between Paul and other apostles out sharing the gospel with Gentiles. And that Paul wanted to go to Bithynia. And then they happened to go down to that river right at the time that Lydia was there. For Lydia, based on what little we know about her she was a busy woman. Selling expensive goods, being active in her religious life already, she is like Mary and Martha melded into one. No, this meeting would never have happened had one side or the other not been willing to listen and be led by the Holy Spirit.

And so by the power of the Holy Spirit, they are brought together. Paul shares the gospel, and Lydia responds with faith through the act of receiving baptism. This intersection we see of God’s goodness and faithfulness with the human act of willingness to listen is beautiful. As one commentator says, “The longing heart of a faithful woman is opened by the gracious impulse of a faith-giving God in an act that, like the incarnation itself, is at once fully human and fully divine. Like Lydia we are astonished when, looking back, we can say only that our steps were guided and our hearts opened.”

Each one of us here today is being called to act out of an open heart to what the Lord will do in our lives. Whether this is the church home you were baptized into as a baby or you come from Namibia and have been here for ten years or you started attending last month after coming from any number of countries present here today, we are called to be people with hospitable, open hearts. Because that is the other beautiful thing Lydia does here. As soon as God opens her heart, she immediately opens her home. Her direct action after receiving the good news is to open her arms with hospitality.

This induction service is something beautiful - a bringing together of a body who have been here since before World Wars happened together with a body of people who come from every nation and tongue. Yes, RELISH has been worshipping here for almost ten years, but here we come together again and say, “Yes, AND we want to do this life of ministry together.” I say beautiful, and I also mean brave. It is brave to stand next to each other in true hospitality because that means there are times when we are going to feel uncomfortable with each other. Music, movements, laughter in services, traditions, foods, smells, EVERYTHING can feel different than what we are used to. It is brave to be curious enough to try new things. It is brave to step out of our chartered courses and say, “I love and value you. I want to learn. Living together is more important to me than staying comfortable.” That is following the prompting of the same Holy Spirit who worked in the hearts of Paul and Lydia.
In both of my home countries right now, both here and in the U.S., there are lots of voices saying that this hospitality is unnecessary. Somehow people are even saying that it may be unbiblical. That we should stay in our own little groups and protect what has been given to us. Like the servant who buried his talent in the parable Jesus tells in Matthew 25, instead of using what God has given us to do good works for him, voices in society are telling us that we should be fearful of using our gifts for those around us. If you reread that parable, you will notice that the servant who was told they are wicked and lazy says, “I was afraid and went out and hid your gold in the ground.” Rather than being driven by curiosity, hospitality, and faith, the servant is driven by fear, which is exactly the rhetoric we hear today.

But right here, looking around, we are witnessing an entrusting of what God has given and being faithful with it. We are saying, “I know I have a building, I know I have space, I know I have two years here in Hannover, and I want to use what I have been given to glorify you, Jesus.” And like Lydia and the good and faithful servants in the parable, we are going out in faith and hospitality.

After we have had this service, after we have had the cake and went into our new week and months begin to pass, what does this passage mean for us? These charges here are for all of us - those from the German service and RELISH. Three things: that like Paul, we listen to the Holy Spirit when the Spirit calls. We step out into the uncomfortable norms and be willing to try something new serving beside one another as Paul did with his group of missionaries. Second, like Lydia, we need to be faithful in our gospel hospitality. We must invite one another in. That means the German service inviting RELISH people into various services they already do in the community. That means RELISH people inviting German members into new ideas we are dreaming about. And third, like both Lydia and Paul, we stand counter to the voices around us and proclaim goodness, mercy, and kindness. We show others outside of this group what it actually means to be the beloved body of Christ by the way we interact with one another and those we do not yet know.

Beloved, we are called just as Paul and Lydia. We are Christ’s co-heirs, held close to the heart of God. We have been given a gift here in this place with these people. And we get to be faithful. I’m so excited to see what God is going to do. Let’s witness, and like Lydia we will be astonished when, looking back, we can say only that our steps were guided and our hearts opened.